Bild des Monats Juni 2009

 

 

1929 – „Heute sind die ersten feierlichen Zylinderhüte durch den Rothenbaumtunnel gefahren.“

 

So berichtete der „Hamburger Anzeiger“ von der Eröffnungsfahrt am 1. Juni 1929 mit den Ehrengästen aus Senat und Bürgerschaft auf der neuen U-Bahnstrecke zwischen Kellinghusenstraße und Stephansplatz.
Unser Bild des Monats zeigt eine typische Verkehrsszene aus den Fünfzigerjahren auf dieser U-Bahnstrecke. Soeben ist ein aus T-Wagen bestehender U-Bahnzug aus Richtung Jungfernstieg kommend in die Haltestelle Stephansplatz eingefahren. Fahrgäste betreten in Eile den Zug, damit dieser sie zum verdienten Feierabend nach Hause bringt.

 

Der nach den Endhaltestellen „Kellinghusenstraße“ und „Jungfernstieg“ benannte Streckenabschnitt im Hamburger Hoch- und U-Bahnnetz ist heute Bestandteil der Linie „U 1“ und wurde vor 80 Jahren, am 2. Juni 1929, zwischen Kellinghusenstraße und Stephansplatz in Betrieb genommen. Erste Planungen für diese Strecke gehen auf das Eröffnungsjahr des Hochbahnringes, 1912, zurück. Der Hochbahnring mit den drei zwischen 1913 und 1915 eröffneten Zweiglinien Ohlsdorf, Eimsbüttel und Rothenburgsort berührt den Hafen und die Innenstadt. Für Fahrgäste mit dem alleinigen Fahrtziel Innenstadt stellte der Weg über den Hafen aber einen zeitaufwendigen Umweg dar. Eine direkt in die Innenstadt geführte Linie sollte hier für Abhilfe sorgen. Erster Weltkrieg und die Wirren der Nachkriegszeit machten solche Überlegungen aber – zunächst - zunichte.

 

Zwischenzeitlich war die in der Kellinghusenstraße beginnende Zweiglinie Ohlsdorf im Norden bis Ochsenzoll verlängert worden - das hierdurch vermehrte Fahrgastaufkommen führte (mit) zu einer betrieblichen Überlastung von Teilen des Hochbahnringes. Abhilfe sollte die sogenannte „Kell-Jung-Linie“ schaffen. Ein im Juni 1924 vom Vorstand der Hamburger Hochbahn AG gebilligter Plan, sah umfangreiche Investitionen in Verkehrsanlagen vor, u.a. den Bau der „Kell-Jung-Linie“. Weitere Planungen sahen eine Fortführung der Strecke in Richtung Rothenburgsort und eine Verbindung mit der dortigen Zweiglinie vor.

 

Durch eine Fahrgeldabgabe, einem Aufschlag auf den Fahrpreis, sollten die Baumaßnahmen finanziert werden. Die Verhandlungen mit dem Senat hierüber zogen sich bis 1925 hin. Ende 1925 billigte die Bürgerschaft die Pläne und forderte den vorrangigen Bau dieser Neubaustrecke, die ab Kellinghusenstraße beginnen und dann ab Eppendorfer Baum / Klosterstern unterirdisch der Rothenbaumchaussee bis zum Dammtorbahnhof folgen sollte. Nach Unterquerung der Eisenbahnanlagen sollte der Stephansplatz und schließlich der Jungfernstieg erreicht werden.

 

1926 begannen die Bauarbeiten an der 4,7 km langen U-Bahnstrecke. Die Tunnelabschnitte konnten weitgehend in offener Bauweise erstellt werden. Lediglich der Dammtorbahnhof musste in bergmännischer Bauweise unterquert werden. Im Vergleich mit den Tunnelstrecken der Ringlinie und der Eimsbütteler Zweiglinie war bei dieser Neubaustrecke das Tunnelprofil größer und die Bahnsteige der Haltestellen großzügiger angelegt. Auch die Streckenführung wies weniger Kurven mit geringeren Radien auf, so dass nun höhere Geschwindigkeiten möglich wurden. Im Gegensatz zu Berlin, das seit 1902 eine U-Bahn betrieb, und nun seine Neubaustrecken im wesentlichen im „Großprofil“ ausführte und damit sein U-Bahnsystem in ein (betrieblich unterschiedliches) Klein- und Großprofil-Netz aufteilte, unterblieb in Hamburg eine solche Unterscheidung bis heute. Das Hamburger Profil liegt zwischen dem Berliner Klein- und Grpoßprofil.

 

Technisch sehr anspruchsvoll waren das Einfahrbauwerk Eppendorfer Baum und die Unterquerung des Dammtorbahnhofes. Die Fahrgäste mussten auf die endgültige Fertigstellung der Strecke noch bis 1934 warten. Das lag u.a. daran, dass der weitere Streckenverlauf erst relativ spät feststand – die Bürgerschaft beschloss erst am 9. Oktober 1929 den Weiterbau der Strecke. Aber auch der schwierige Baugrund am Jungfernstieg und die 1929 ausgebrochene Weltwirtschaftskrise, die auch das Land Hamburg schwer traf, führte zu Verzögerungen. Allerdings war bereits 1931 ein Betrieb zur provisorisch angelegten Haltestelle Jungfernstieg möglich. Die weitere Verlängerung der Strecke verzögerte sich – auch kriegsbedingt - über Jahrzehnte und begann erst 1960 mit der Inbetriebnahme des Abschnittes zum Messberg.

 

Jede der vier Haltestellen der Neubaustrecke erhielt eine eigene Erkennungsfarbe, die am „Stephansplatz“ (blau-weiß) und „Jungfernstieg“ (rot-weiß) bei Modernisierungen in den Siebzigerjahren aber verschwanden. Auch die Schrift der Haltestellenschilder unterschied sich von denjenigen der übrigen Haltestellen im U-Bahnnetz.

 

In den Fünfzigerjahren waren in der Haltestelle Stephansplatz noch die Farbtöne „Hellblau“ und „Altweiß“ vorherrschend. Mit der Inbetriebnahme von Leuchtstoffröhren 1952 war diese Tunnelhaltestelle die erste, auf der die bisherige Glühlampenbeleuchtung verschwand. „Kleine Überraschung für die Fahrgäste: Auf dem Bahnhof Stephansplatz ist es heller geworden“ titelte deswegen am 26. November 1952 die Presse. Gut erkennbar ist die Plakatwerbung an den Bahnsteigträgern. Ende der Siebzigerjahre verschwand diese Werbeform zugunsten in der Flucht der Bahnsteigträger aufgestellter Großplakatwände. Sicherlich vielen älteren Hamburgern noch gut in der Erinnerung dürfte sein, dass das Haltestellenpersonal damals mehrmals täglich mit einer Gießkanne den Bahnsteig bewässerte, um so den Bremsstaub, der durch die Klotzbremsen der Altbaufahrzeuge entstand, zu binden. Hier ist gerade mal wieder der Bahnsteigwärter „seine Runde gegangen“ und hat routiniert mit Schwung die Gießkanne geführt – ohne – der Dienstanweisung entsprechend – Pfützen zu bilden. Das Wasser hierfür stammte aus auf den Bahnsteigen vorhandenen Entnahmestellen mit frei zugänglichem Wasserhahn und Handstein.  

 

 Text: Lutz Achilles / HOV

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