Bild des Monats November 2009

 

 

Kleiner Grenzverkehr

 

In diesen Tagen wird sich aller Orten der friedlichen Revolution in der DDR und dem Fall der Berliner Mauer erinnert.

 

Die Berliner Mauer, die seit dem 13. August 1961 den Westteil der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin vom übrigen Stadtgebiet und dem Berliner Umland trennte, wurde mit den Jahren immer weiter ausgebaut und perfektioniert. Deren Überwindung gestaltete sich so für die Bürger der DDR bei Gefahr für Leib und Leben immer schwieriger. Das galt auch für die sich von Nord nach Süd auf 1.378 km Länge durch Deutschland hinziehende innerdeutsche Grenze. Obwohl dort auch vor dem August 1961 schon streng kontrolliert wurde und ein hüfthoher Grenzzaun entlang der Grenze verlief, so war ein Wechsel von Ost und West doch noch immer möglich. Aber nun begann die DDR auch hier mit dem Ausbau der Grenzanlagen. Begriffe wie „Todesstreifen“, „Selbstschussanlagen“ „Minenfelder“ und „Schießbefehl“ wurden so zu Synonymen für diese für DDR-Bürger zunehmend unüberwindlich werdende Grenze.

 

Die strikte Teilung in zwei deutsche Staaten riss Familien auseinander. Besuche von Bundesbürgern in der DDR und von West-Berlinern im Ostteil der Stadt waren nur erschwert oder zu besonderen Anlässen möglich. Vertreter der SPD versuchten in den 1960er-Jahren die Trennung für die betroffenen Bürger erträglicher zu gestalten. Schon in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister von (West-)Berlin hatte Willy Brandt das Passierscheinabkommen abgeschlossen und damit geholfen, die innerstädtische Grenze von West nach Ost durchlässiger zu machen.

 

Später als Außenminister in der Großen Koaltion und insbesondere nach seiner Wahl zum Bundeskanzler bemühte sich Willy Brandt aus humanitären Gründen um die Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten. Unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“ erreichte die von ihm geführte sozial-liberale Bundesregierung in zahlreichen völkerrechtlichen Vereinbarungen zu Beginn der 1970er-Jahre Verbesserungen, so entstand auch der sogenannte „Kleine Grenzverkehr“.

 

Dieses Verfahren erlaubte es Bundesbürgern, die in der Nähe der innerdeutschen Grenze wohnten, durch ein vereinfachtes Antragsverfahren einen Tagesaufenthalt in grenznahen Gebieten der DDR. Das Land Hamburg blieb hiervon ausgenommen, so dass nur Schleswig-Holsteiner, die östlich von Hamburg wohnten, in weite Teile des Bezirks Schwerin fahren durften. Auf Anforderung des Bundesministers für Verkehr richtete am 5. Juli 1973 die  Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG (VHH) hierfür die Linie 20 ein, die von Lauenburg / ZOB über die B5 und die Grenze nach Horst, Wendeplatz / DDR verkehrte. Dort bestand Anschluss an die Busse des örtlichen Kombinats nach Boizenburg. Es galt ein Sondertarif. Es gab die Auflage, dass die VHH-Busse über keine Werbung und keinen Fahrzeugfunk verfügen durften. Anfangs wurden  täglich 26 Fahrtenpaare eingerichtet, mit Beginn des Winterfahrplans 1973/74 aber auf 12 (Mo-Fr)  und 15 Fahrtenpaare (Sbd / So) reduziert.

 

Am 18. September 1986 hat der VHH-Wagen 8124 (DB O 305) auf seiner morgendlichen Fahrt von Horst / DDR gerade die innerdeutsche Grenze bei Lauenburg passiert. Mit Eröffnung der Autobahn Hamburg – Berlin war der Transitverkehr nach West-Berlin von hier auf die Autobahn verlegt worden, so dass es an diesem Grenzübergang mittlerweile sehr ruhig geworden war.  Für den Fotografen gingen diesem Foto auf bundesdeutscher Seite Diskussionen mit Vertretern des Bundesgrenzschutzes voraus. Es gab die Auflage, nicht zu dicht an die Grenze zu treten und nach Möglichkeit nicht in das Sichtfeld der DDR-Grenzer zu gelangen. Unter dem argwöhnischen Blick der Beamten – vermutlich von beiden Seiten - entstand so dieses Zeitdokument.

 

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor nunmehr 20 Jahren führte zu einer Ausweitung des Fahrtenangebotes, das heute in der – außerhalb des HVV liegenden – Linie 515 aufgegangen ist.      

                                                                                 

Text: Lutz Achilles / HOV     


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