Busverkehr
in einem Gesamtkunstwerk
Seit über acht Jahrzehnten gibt es einen Busverkehr auf dem
Hauptfriedhof Ohlsdorf.
Der 1872 durch die Medizinalbehörde gegebene Hinweis auf die mangelhafte
Wasserqualität in Hamburg führte zunächst nicht dazu, dass durch den Senat
umgehend tiefergreifende Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen
Verhältnisse in der Stadt eingeleitet wurden. Das rächte sich zwanzig Jahre
später, als die Cholera Tausende Hamburger binnen kurzem dahin raffte. Statt
des damals von der Bürgerschaft geforderten Filtrierwerkes entschied sich der
Senat in den 1870er Jahren dazu, künftig das Leichenwesen zentral zu lenken. Es
entstanden Überlegungen, weit vom Stadtkern entfernt einen großen Zentralfriedhof
zu schaffen, um so die am Rand der Innenstadt gelegenen Friedhöfe aufgeben zu
können und dadurch die hygienischen Verhältnisse zu verbessern.
Die Wahl für diesen Friedhof fiel auf die zu Hamburg gehörende
Gemeinde Ohlsdorf, deren Vertreter hiervon wenig angetan waren, weil dadurch
erhoffte Industrieansiedlungen unmöglich wurden. Auch bedeutete ein Friedhof
den Wegfall von Grundsteuern. Allerdings profitierte später dieser heutige
Hamburger Stadtteil davon, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts leistungsfähige
Verkehrsverbindungen vom rund zehn Kilometer entfernten Stadtkern zum neuen
Friedhof geschaffen wurden. In Ohlsdorf treffen sich seit 1914 elektrische
Stadtbahn (heute S-Bahn) und Hochbahn (U-Bahn). Straßenbahnlinien und die
Alsterschiffe hatten auch ihren Endpunkt in diesem Stadtteil.
1874 begann der Ankauf erster Flächen. Am 01.07.1877 wurde der
Hauptfriedhof Ohlsdorf mit der Beisetzung von drei im Allgemeinen Krankenhaus
St. Georg verstorbenen Patienten fast heimlich eröffnet. Anfangs fanden
zunächst nur Leichen aus öffentlichen Anstalten ihren Weg nach Ohlsdorf. Die
Beisetzung erfolgte in allgemeinen (Reihen-)Gräbern. Am 13.06.1879 kam es zum
ersten Verkauf eines Einzelgrabs. Seitdem stieg die Zahl der Beerdigungen
kontinuierlich. Ab 1894 durften keine Einzelgräber auf den älteren Friedhöfen
mehr belegt werden. 1909 wurde der Friedhof vor dem Dammtor ganz geschlossen
und es kam zu zahlreichen Umbettungen der dort beerdigten Personen nach
Ohlsdorf.
Aufgrund seiner Größe war der Hauptfriedhof von Beginn an als
Parkfriedhof ausgelegt, ein Konzept, das auf der Weltausstellung 1900 in Paris
mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurde. Für die Gestaltung wurden
Gartenbaumeister gewonnen. Das galt auch für die ab 1920 durch Cordes in
Richtung Bramfeld erschlossenen Erweiterungsflächen. Damit erreichte der
Friedhof eine Ausdehnung von 4,1 km Länge und 1,5 km Breite. Mit seiner Fläche
von annähernd 400 ha ist der Hauptfriedhof Ohlsdorf nur unwesentlich kleiner
als der Nationalfriedhof auf Long Island in New York (USA). Aber Ohlsdorf ist
der größte Parkfriedhof der Welt, mit heute 12 Friedhofskapellen und einem
Straßennetz von rund 18 km. Weil in Ohlsdorf auch zahlreiche Persönlichkeiten
und wohlhabende Hamburger ihre letzte Ruhe gefunden haben, sind im Laufe der
Zeit Grabmale von hohem künstlerischen Rang entstanden. Zum 100-jährigen
Jubiläum erhob der Senat den Friedhof daher zu einem Gesamtkunstwerk, die
systematische Erfassung der rund 280.000 Gräber aus kulturhistorischer Sicht
begann. Obwohl bis heute rund 1,7 Millionen Bestattungen in Ohlsdorf
durchgeführt worden sind, ist der Parkcharakter des Friedhofs erhalten
geblieben. Auch deswegen lohnt dieser Ort der Ruhe und des Gedenkens zu jeder
Jahreszeit einen Besuch.
Schon früh begann die Erschließung der Friedhofanlage durch den Omnibus.
Das älteste Busunternehmen Hamburgs, die 1902 gegründete Firma Jasper,
eröffnete 1926 eine Buslinie, die vom Haupteingang Ohlsdorf zur Kapelle 12
verkehrte. Später wurde die Linie noch zur Kapelle 13 verlängert. Im September
1930 richtete das Unternehmen Brandt eine Ringlinie auf dem Friedhofsgelände
ein, die ihren Ausgangs- und Endpunkt ebenfalls am Haupteingang Ohlsdorf hatte.
Nach Ablauf der Konzession übernahm die HHA 1933 die Linie von Brandt und
gliederte sie als Linie „K“ in das Busnetz ein. 1934 ging die bisher von Jasper
betriebene Linie – nach Konzessionablauf - als Linie „J“ ebenfalls an die HHA
über. Am 16.10.1934 gab die HHA die Linie K auf und ersetzte sie durch die
bestehende Linie J, die jetzt eine geänderte Linienführung erhielt.
Kriegsbedingt endete der Betrieb auf der Linie J 1941.
Am 15.08.1948 kehrte die Linie J auf den Friedhof Ohlsdorf zurück. Es
wurde wieder die Strecke zwischen Haupteingang und Kapelle 13 bedient. Am
05.05.1953 gliederte die HHA diese Verbindung als Linie 96 in ihr System von
Sonderlinien ein, für die ein erhöhter Fahrtarif galt. Am 10.05.1960 gab es
eine neue Sonderlinie 97, die zwischen Haupteingang und Bramfeld, See
verkehrte. Hier konnte auf die Straßenbahnlinie 9 umgestiegen werden. Am
29.09.1968 wurden die beiden Sonderlinien in „42“ und „43“ umgezeichnet, der
erhöhte Fahrtarif blieb. Zwei Jahre später erfolgte die Umwandlung in die
noch heute bestehenden Stadtbuslinien 170 (Haupteingang – Kapelle 11) und 270
(Haupteingang – Bramfeld, See). Zum 30.09.1979 erfuhr die Linie 170 ihre letzte
Verlängerung nach Bramfeld, Maisredder.
Durch Anwachsen des Individualverkehrs hat der Busverkehr mittlerweile
an Bedeutung verloren. Seit annähernd zwei Jahrzehnten ist die gute Tradition vorbei,
während der Totengedenkwoche (Woche zwischen Volkstrauertag und
Totensonntag) den Friedhof für den Pkw-Verkehr zu sperren. Der Busverkehr
erfuhr in dieser Zeit eine umfangreiche Verstärkung, die Busse verkehrten dann
meist im Fünf-Minuten-Takt.
Unser Bild des Monats zeigt den Mercedes-Benz O 405 Wagen
2548, der am 28.01.1989 auf der Linie 170 im älteren
Teil des Hauptfriedhofs, unweit der Kapelle 3, unterwegs war. Mit dem
Wagen 2575 erhält der HOV einen Vertreter dieser Fahrzeugserie. Der abgebildete
Bus trägt Pop-Werbung. Bis Mitte der 1980er-Jahre gab es aber die Anweisung,
keine Busse mit Pop-Werbung auf den Friedhofslinien einzusetzen.
Umlaufmäßig sind die beiden Friedhofslinien verknüpft. Zu den verkehrsschwächeren Zeiten kann man auf dem Friedhof auch Citaro K und Kleinbusse der HOCHBAHN beobachten.
Weitere Fotos vom Busverkehr im Hauptfriedhof Ohlsdorf finden Sie auf der HOV-Seite im „Fotoalbum“, unter „Jahreszeiten“.
Text: Lutz Achilles / HOV