Bild des Monats Januar 2010

 

 

Busverkehr in einem Gesamtkunstwerk

 

Seit über acht Jahrzehnten gibt es einen Busverkehr auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf.

 

Der 1872 durch die Medizinalbehörde gegebene Hinweis auf die mangelhafte Wasserqualität in Hamburg führte zunächst nicht dazu, dass durch den Senat umgehend tiefergreifende Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in der Stadt eingeleitet wurden. Das rächte sich zwanzig Jahre später, als die Cholera Tausende Hamburger binnen kurzem dahin raffte. Statt des damals von der Bürgerschaft geforderten Filtrierwerkes entschied sich der Senat in den 1870er Jahren dazu, künftig das Leichenwesen zentral zu lenken. Es entstanden Überlegungen, weit vom Stadtkern entfernt einen großen Zentralfriedhof zu schaffen, um so die am Rand der Innenstadt gelegenen Friedhöfe aufgeben zu können und dadurch die hygienischen Verhältnisse zu verbessern.

 

 Die Wahl für diesen Friedhof fiel auf die zu Hamburg gehörende Gemeinde Ohlsdorf, deren Vertreter hiervon wenig angetan waren, weil dadurch erhoffte Industrieansiedlungen unmöglich wurden. Auch bedeutete ein Friedhof den Wegfall von Grundsteuern. Allerdings profitierte später dieser heutige Hamburger Stadtteil davon, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts leistungsfähige Verkehrsverbindungen vom rund zehn Kilometer entfernten Stadtkern zum neuen Friedhof geschaffen wurden. In Ohlsdorf treffen sich seit 1914 elektrische Stadtbahn (heute S-Bahn) und Hochbahn (U-Bahn). Straßenbahnlinien und die Alsterschiffe hatten auch ihren Endpunkt in diesem Stadtteil.

 

1874 begann der Ankauf erster Flächen. Am 01.07.1877 wurde der Hauptfriedhof Ohlsdorf mit der Beisetzung von drei im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg verstorbenen Patienten fast heimlich eröffnet. Anfangs fanden zunächst nur Leichen aus öffentlichen Anstalten ihren Weg nach Ohlsdorf. Die Beisetzung erfolgte in allgemeinen (Reihen-)Gräbern. Am 13.06.1879 kam es zum ersten Verkauf eines Einzelgrabs. Seitdem stieg die Zahl der Beerdigungen kontinuierlich. Ab 1894 durften keine Einzelgräber auf den älteren Friedhöfen mehr belegt werden. 1909 wurde der Friedhof vor dem Dammtor ganz geschlossen und es kam zu zahlreichen Umbettungen der dort beerdigten Personen nach Ohlsdorf.

 

Aufgrund seiner Größe war der Hauptfriedhof von Beginn an als Parkfriedhof ausgelegt, ein Konzept, das auf der Weltausstellung 1900 in Paris mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurde. Für die Gestaltung wurden Gartenbaumeister gewonnen. Das galt auch für die ab 1920 durch Cordes in Richtung Bramfeld erschlossenen Erweiterungsflächen. Damit erreichte der Friedhof eine Ausdehnung von 4,1 km Länge und 1,5 km Breite. Mit seiner Fläche von annähernd 400 ha ist der Hauptfriedhof Ohlsdorf nur unwesentlich kleiner als der Nationalfriedhof auf Long Island in New York (USA). Aber Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof der Welt, mit heute 12 Friedhofskapellen und einem Straßennetz von rund 18 km. Weil in Ohlsdorf auch zahlreiche Persönlichkeiten und wohlhabende Hamburger ihre letzte Ruhe gefunden haben, sind im Laufe der Zeit Grabmale von hohem künstlerischen Rang entstanden. Zum 100-jährigen Jubiläum erhob der Senat den Friedhof daher zu einem Gesamtkunstwerk, die systematische Erfassung der rund 280.000 Gräber aus kulturhistorischer Sicht begann. Obwohl bis heute rund 1,7 Millionen Bestattungen in Ohlsdorf durchgeführt worden sind, ist der Parkcharakter des Friedhofs erhalten geblieben. Auch deswegen lohnt dieser Ort der Ruhe und des Gedenkens zu jeder Jahreszeit einen Besuch.

 

Schon früh begann die Erschließung der Friedhofanlage durch den Omnibus. Das älteste Busunternehmen Hamburgs, die 1902 gegründete Firma Jasper, eröffnete 1926 eine Buslinie, die vom Haupteingang Ohlsdorf zur Kapelle 12 verkehrte. Später wurde die Linie noch zur Kapelle 13 verlängert. Im September 1930 richtete das Unternehmen Brandt eine Ringlinie auf dem Friedhofsgelände ein, die ihren Ausgangs- und Endpunkt ebenfalls am Haupteingang Ohlsdorf hatte. Nach Ablauf der Konzession übernahm die HHA 1933 die Linie von Brandt und gliederte sie als Linie „K“ in das Busnetz ein. 1934 ging die bisher von Jasper betriebene Linie – nach Konzessionablauf - als Linie „J“ ebenfalls an die HHA über. Am 16.10.1934 gab die HHA die Linie K auf und ersetzte sie durch die bestehende Linie J, die jetzt eine geänderte Linienführung erhielt. Kriegsbedingt endete der Betrieb auf der Linie J 1941.

 

Am 15.08.1948 kehrte die Linie J auf den Friedhof Ohlsdorf zurück. Es wurde wieder die Strecke zwischen Haupteingang und Kapelle 13 bedient. Am 05.05.1953 gliederte die HHA diese Verbindung als Linie 96 in ihr System von Sonderlinien ein, für die ein erhöhter Fahrtarif galt. Am 10.05.1960 gab es eine neue Sonderlinie 97, die zwischen Haupteingang und Bramfeld, See verkehrte. Hier konnte auf die Straßenbahnlinie 9 umgestiegen werden. Am 29.09.1968 wurden die beiden Sonderlinien in „42“ und „43“ umgezeichnet, der erhöhte Fahrtarif blieb. Zwei Jahre später  erfolgte die Umwandlung in die noch heute bestehenden Stadtbuslinien 170 (Haupteingang – Kapelle 11) und 270 (Haupteingang – Bramfeld, See). Zum 30.09.1979 erfuhr die Linie 170 ihre letzte Verlängerung nach Bramfeld, Maisredder.  

  

Durch Anwachsen des Individualverkehrs hat der Busverkehr mittlerweile an Bedeutung verloren. Seit annähernd zwei Jahrzehnten ist die gute Tradition vorbei, während der Totengedenkwoche (Woche zwischen Volkstrauertag und Totensonntag) den Friedhof für den Pkw-Verkehr zu sperren. Der Busverkehr erfuhr in dieser Zeit eine umfangreiche Verstärkung, die Busse verkehrten dann meist im Fünf-Minuten-Takt.

 

Unser Bild des Monats zeigt den Mercedes-Benz O 405 Wagen 2548, der am 28.01.1989 auf der Linie 170 im älteren Teil des Hauptfriedhofs, unweit der Kapelle 3, unterwegs war. Mit dem Wagen 2575 erhält der HOV einen Vertreter dieser Fahrzeugserie. Der abgebildete Bus trägt Pop-Werbung. Bis Mitte der 1980er-Jahre gab es aber die Anweisung, keine Busse mit Pop-Werbung auf den Friedhofslinien einzusetzen.

 

Umlaufmäßig sind die beiden Friedhofslinien verknüpft. Zu den verkehrsschwächeren Zeiten kann man auf dem Friedhof auch Citaro K und Kleinbusse der HOCHBAHN beobachten.

 

Weitere Fotos vom Busverkehr im Hauptfriedhof Ohlsdorf finden Sie auf der HOV-Seite im „Fotoalbum“, unter „Jahreszeiten“.  

                                 

 

                                      Text: Lutz Achilles / HOV     


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