Bild des Monats Juni 2010

 


 

Nachtverkehr in Hamburg - 40 Jahre 600er-Nachtbusliniennetz

 

In vielen Großstädten Deutschlands wird heute auch in der Nacht zwischen 1 und 4 Uhr ein - wenn auch häufig bescheidenes - Fahrtenangebot mit öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten.   Nachtverkehr hat in Hamburg aber schon eine lange Tradition. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren Pferdeomnibusse versuchsweise nachts in der Stadt unterwegs.  Auch auf der Alster gab es in den Jahren vor dem I. Weltkrieg nächtliche Schiffsverbindungen vom Jungfernstieg in die Stadtteile.

 

In der Nacht zum 05.05.1925 nahm die HHA ihre ersten beiden Nachtautobuslinien in Betrieb. Damit begann die Epoche eines regelmäßigen Nachtverkehrs. Schnell folgten weitere Autobuslinien, die die Innenstadt mit den dicht besiedelten Stadtteilen verbanden. Auch die (damals noch zu Hamburg gehörende) Nachbarstadt Wandsbek wurde bereits ab 1926 durch die HHA mit in den Nachtverkehr einbezogen. Die Wagenfolge war im Nachtnetz auf einigen Verbindungen mit einem 10-Minuten-Takt sehr dicht, in den Nächten von Sonnabend auf Sonntag gab es sogar einen 7,5-Minuten-Takt. Ab 20.10.1936 wurde das Nachtautobusnetz um die Straßenbahnlinie 33, die zwischen St. Pauli und Harburg verkehrte, ergänzt. Nach Inkrafttreten des Groß-Hamburg-Gesetzes und der Übernahme der VAGA durch die HHA fuhren ab 18.10.1937 erste Nachtbusse von St. Pauli auch nach Altona. Zu dieser Zeit lag der Schwerpunkt im Nachtliniennetz in St. Pauli, wurde dieser Stadtteil im Sommer 1939 doch von bis neun Nachtlinien angefahren.

 

Der Autobus verlor seine Bedeutung im Nachtverkehr zu Beginn des II. Weltkriegs als die meisten Nachtbuslinien auf Straßenbahnbetrieb umgestellt werden mussten und der Autobus nur noch eine Zubringerfunktion zur Straßenbahn zugewiesen bekam. Die schweren Bombenangriffe auf Hamburg Ende Juli 1943 brachten den regelmäßigen Nachtverkehr für viele Jahre zum Erliegen.

 

Ausgangs- und Stromsperren in den ersten Nachkriegsjahren unterbanden einen Nachtverkehr. Nach der Währungsreform im Juni 1948 gab es auf einigen Straßenbahnlinien einen Spätbetrieb, der aber um 24 Uhr endete. Erst ab 1951 gab es wieder einen Nachtbetrieb. Sechs Nachtstraßenbahnlinien verkehrten im Stundentakt zwischen 1 und 4 Uhr nachts. Nach Stilllegung der Straßenbahnverbindung von St. Pauli nach Altona im Mai 1959 kehrte der Autobus mit der Linie 52 in den Hamburger Nachtverkehr zurück. In den nächsten Jahren wurde das Nachtnetz immer wieder erweitert, wobei die Straßenbahn, auch entsprechend dem reduzierten Streckennetz, immer mehr Leistung an den Autobus abgab. Der Betrieb von Straßenbahn- und Buslinien im Nachtverkehr blieb auch in den ersten Jahren des Bestehens des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV). Im Nachtverkehr neu hinzugekommen war die VHH, die mit ihren Nachtbussen im Hamburger Osten unterwegs war. Mit Ablauf des Winterfahrplans 1969/70 wurde der Hamburger Nachtverkehr durch neun Bus- und vier Straßenbahnlinien abgedeckt. Von den insgesamt 13 Linien berührten sieben den Rathausmarkt und sechs Linien den  Hauptbahnhof. Trotzdem bestand für viele Fahrgäste auf ihrer Fahrt nach Hause die Notwendigkeit, umzusteigen. 

 

Der HVV entschloss sich, zum Sommerfahrplan 1970 den Nachtverkehr grundlegend umzubauen. Die damals geschaffenen Liniennetzstrukturen bestehen auch noch heute fort. Es wurde ein besonderes Netz von Nachtbuslinien mit vom Tagesbetrieb abweichenden Linienführungen und eigenen Linienziffern (600er) geschaffen. Zentraler Sammel– und Umsteigepunkt wurde der Rathausmarkt. Den Umsteigeverkehr überwacht zeitweise Aufsichtspersonal vor Ort. Zusätzlich gab es früher zwei von der Meldestelle im Hochbahnhaus gesteuerte Lichtsignale am Rathausmarkt und am  U-Bahnausgang in der Mönckebergstraße (bei Karstadt), die den Busfahrern optisch die Abfahrerlaubnis signalisierten.

 

Ab der Nacht zum 01.06.1970 entstanden so durchgehende – vielfach umsteigefreie - Verbindungen in alle Hamburger Bezirke. Das Netz bestand aus folgenden Linien:

 

                    601          Hauptbahnhof – Rathausmarkt – Altona – Osdorf
                    602          Rathausmarkt – Osdorfer Born
                    603          Rathausmarkt – Schnelsen
                    604          Rathausmarkt – Niendorf
                    605          Rathausmarkt – Groß Borstel
                    606          Rathausmarkt – Ochsenzoll
                    607          Rathausmarkt – Poppenbüttel
                    608          Rathausmarkt – Rahlstedt, Großlohe
                    609          Rathausmarkt – Bergedorf
                    610          Rathausmarkt – Harburg

 

Als Ergänzungslinien dienten

                    600           Altona - Barmbek
                    617           Barmbek – Karlshöhe
                    618           Wandsbek – Rahlstedt (Ost)
                    619           Billstedt – Neuschönnigstedt
                    640           Harburg – Neu Wulmstorf. 

                                      

Es wurde mindestens ein Stundentakt angeboten, auf Teilstrecken fuhr auch alle halbe Stunde ein Bus. Die Einführung des 600er-Nachtnetzes begleitete der HVV mit einer Werbekampagne. Ältere Hamburger werden vielleicht noch die farbige, nackte Schönheit erinnern. 

 

Wie unser Bild des Monats zeigt, konnte man anfänglich auch ältere Busse beobachten, wie den am 26.09.1970 von Karl-Heinz Wangel am Rathausmarkt aufgenommenen HHA-Wagen 7456, ein Magirus-Deutz Saturn II, Typ Hamburg von 1964. Es handelt sich um einen auf dem Betriebshof Harburg beheimaten Wagen, der zu dieser Zeit das Hamburger Fahrtziel „Rathausmarkt“ in seinem Fahrtzielband nicht zeigen konnte, stellte doch bis zur Umstellung auf Bus die Straßenbahnlinie 11 die nächtliche Verbindung zwischen Hamburg und Harburg sicher. Wie so oft, wenn im Busverkehr neue Ziele hinzukamen, behalf man sich mit einem Steckschild hinter der Frontscheibe. Mit dem Wagen 7450 erhält der HOV einen Vertreter dieser Serie, übrigens auch ein ehemaliger Harburger.

  

In den nächsten Jahren wurde einzelne Linien verlängert, mit Eröffnung des Elbtunnels 1975 gab es eine neue Verbindung von Altona nach Finkenwerder (Li. 611). Die Netzstruktur blieb bis heute erhalten, die Nachfrage insbesondere am Wochenende stieg aber stetig. Vor allem nach Veranstaltungen in der Innenstadt mussten auf einzelnen Linien immer wieder  Verstärkungswagen aushelfen. Der HVV führte im Herbst 1991 im Nachtverkehr an den Wochenenden den 15-Minuten-Takt ein. Die Notwendigkeit zeitweise Verstärkungswagen einzusetzen bestand aber fort. Der Einsatz von Gelenkbussen blieb aus betrieblichen Gründen die Ausnahme, weil die Fahrer nachts auch die Fahrscheine der Fahrgäste zu überprüfen haben und die hinteren Türen bei Gelenkbussen vom Fahrgast geöffnet werden können.

 

In den 1990er-Jahren wurde das durch HOCHBAHN, VHH und PVG betriebene Nachtbusnetz – z.T. über die Stadtgrenzen hinaus – durch neue Linien ergänzt, die aber nur am Wochenende verkehrten. Die Fahrgastzahlen am Wochenende stiegen weiter. Zum Fahrplanwechsel am 11./12.12.2004 bestand das Nachtbusnetz aus 33 Linien, von denen allerdings 14 nur den Wochenendverkehr ergänzten.

 

Zum 17.12.2004 gab es daher eine grundlegende Änderung im Hamburger Nachtverkehr. Die Schnellbahnen wurden in den Nachtverkehr einbezogen und bieten seitdem in den Nächten von Freitag auf Sonnabend und Sonnabend auf Sonntag einen durchgehenden 20-Minuten-Betrieb an. Ergänzt wird das Angebot durch zahlreiche Buslinien. Neben Metro- und Stadtbuslinien, mit im Vergleich zum Tagesbetrieb z.T. verkürzten Streckenführungen, verkehren noch zusätzlich am Hamburger Stadtrand einzelne 600er-Nachtbuslinien.

 

Die Einbeziehung der Schnellbahnen in den Nachtverkehr geschah zunächst versuchsweise für ein Jahr. Schon nach kurzer Zeit verdoppelten sich die Fahrgastzahlen am Wochenende. Heute ist der Einsatz der Schnellbahnen zur Dauereinrichtung geworden. Auch die anfängliche Beschränkung auf das Hamburger Stadtgebiet ist heute bei der Schnellbahn nach Einbeziehung von Norderstedt und Pinneberg aufgeweicht, nachdem sich einzelne Schleswig-Holsteinische Kommunen am Defizit dieser Strecken beteiligen. Da der Kreis Stormarn dies nicht tut, endet die U1 auch weiterhin in Volksdorf.

 

Hinzu kommen in der aktuellen Fahrplanperiode 2009/10 am Wochenende 16 Metro-, 22 Stadtbus- und 13 Nachtbuslinien. Außerhalb des Wochenendes stellen 22 Nachtbuslinien die nächtliche Mobilität in  Hamburg sicher. 

 

Text: Lutz Achilles / HOV    


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