Bild des Monats April 2011
Busverkehr
mit Belegschaftsbeteiligung
Der Motorisierungsgrad in der alten Bundesrepublik war in den 1960er
Jahren im Vergleich zu heute noch nicht so hoch. Dem Wunsch von großen
Hamburger Unternehmen ihrer Belegschaft im Berufsverkehr die Anfahrt zum
Arbeitsplatz bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ermöglichen und so die
Arbeitskräfte für das Unternehmen zu erhalten und Neue zu gewinnen, stieß bei
den Verkehrsunternehmem in Hamburg nicht auf ungeteilte Zustimmung.
Insbesondere die Hamburger Hochbahn AG (HHA) stand dem Vorhaben skeptisch
gegenüber, weil eine hinreichende Wirtschaftlichkeit nicht immer zu erwarten
war.
Mit der Überschrift „Hochbahn stellt die Busse – einen Fahrer „besorgt“
die Fabrik“ berichtete am 01.04.1965 das Hamburger Abendblatt über die Suche
der HHA nach „neuen Wegen des öffentlichen Nahverkehrs“. Am Vortag hatte der
Vorstandsvorsitzende der HHA, Max Mroß, dieses neue Konzept für
Berufsverkehrslinien in Hamburg vorgestellt. Zur Durchführung dieses
Sonderverkehrs übernahm die HHA neben der rechtlichen Ausgestaltung nur die
Bereitstellung eines Omnibusses. Das Fahrpersonal stellte der Auftraggeber, das
vorher durch die HHA auf seine neuen Aufgaben vorbereitet wurde. Wie bei einer
Fahrgemeinschaft nahm dieser Werksfahrer dann morgens auf dem konzessionierten
Linienweg seine Kollegen mit zum Unternehmen, nachmittags ging es dann
gemeinsam wieder zurück. Den von der HHA hierfür überlassenen Omnibus konnte
der Fahrer mit nach Hause nehmen. Ältere Hamburger werden sich vielleicht an
die vor allem im Süden Hamburgs am Rande von Wohngebieten über Nacht und am
Wochenende stehenden und mit einem Vorhängeschloss gesicherten HHA-Busse
erinnern. Diese Omnibusse, immer aus älteren Serien stammend, blieben einem
HHA-Betriebshof fest zugeordnet. Hier wurde die Betankung vorgenommen und alle
vierzehn Tage erfolgte eine technische Durchsicht.
Den Anfang machte die Firma MAN am 05.04.1965 mit der Einrichtung von
vier Linien. Weitere Unternehmen folgten. Unser Bild des Monats zeigt eine
nachmittägliche Verkehrsszene auf dem Werksgelände der Howaldtswerke Hamburg
AG (HWH) im westlichen Rosshafen (Neuhof). Hier begann diese
besondere Form des Berufslinienverkehrs am 06.09.1965 mit der Einrichtung von
sechs, ab 18.10.1965 sieben Linien. Ordentlich aufgereiht warten die Fahrer der
Omnibusse auf ihre Kollegen, um gemeinsam in den Feierabend zu fahren. Es
handelt sich um Magirus-Deutz Saturn II-Omnibusse der zweiten Serie vom Typ
Hamburg, von denen die HHA 1960 73 Stück beschafft hatte. Mit dem Wagen 7010
hatte der HOV kurzzeitig einen Ersatzteilspender dieser Serie in seinem
Bestand.
Im Hintergrund sieht man einen der markanten Luftschutztürme der Bauart
„Zombeck“, von denen in Hamburg zwischen 1939 und 1941 insgesamt elf
Stück erbaut wurden. Heute finden sich davon noch neun im Stadtgebiet, der hier
abgebildete Turm ist im Zuge der Umgestaltung des Geländes aber
mittlerweile abgebrochen worden.
Zu sehen sind auf dem wahrscheinlich im Herbst 1966
entstandenen Foto von links nach rechts:
Wagen
7056, HWH-Buslinie
5 nach Sinstorf
Wagen 7047, HWH-Buslinie 4 nach Eißendorf
Wagen 7014, HWH-Buslinie 3 nach Heimfeld
Wagen 7049, HWH-Buslinie 7 nach Kornweide
Wagen 7013, HWH-Buslinie 2 nach Wilhelmsburg
Wagen 7028, HWH-Buslinie 1 nach Hamm (Nord)
nicht im Bild sind die Wagen 7046 und 7072 (HWH 6 nach Bf. Harburg).
Hier kamen sogar zwei Wagen zum Einsatz, morgens um 10 Minuten versetzt. Der
Wagen 7049 hatte damals ein interessantes Vorleben. Er war nach dem Bau der
Berliner Mauer bis 1962 einer der Solidaritätsbusse der westdeutschen
Verkehrsbetriebe, die für die BVG durch West-Berlin fuhren.
1969 erhielten diese Linien die HVV-internen Liniennummern 951 – 957.
Bereits Ende 1968 war es zur Fusion der Howaldtswerke Hamburg mit der Deutsche
Weft gekommen, so dass das Unternehmen nun „Howaldtswerke-Deutsche Werft AG“
(HDW) hieß. An den Bussen fand sich nun der Hinweis auf „HDW“. Später kam noch
die Linie HDW 8 (958) nach Finkenwerder hinzu. Alle Omnibusse waren dem
Betriebshof Harburg zugeordnet. Aufgrund des Fahrzeugalters war die Einsatzzeit
der einzelnen Omnibusse begrenzt, so dass es immer wieder zu einem
Austausch mit jüngeren Fahrzeugserien kam. In Einzelfällen gelangten diese
Busse auch noch einmal kurzzeitig in den regulären Linienverkehr zurück.
Gelegentlich mussten auch noch im regulären Linienbetrieb stehende Omnibusse
aushelfen.
Als Fahrpreis hatten die Mitarbeiter Fahrkarten zum HHA-, später
HVV-Tarif zu erwerben. Hierfür gab es Einzelfahrkarten im Zehnerheft, die
aber nur auf der Werklinie gültig waren. Daneben galten auch die Monatskarten
nach allgemeinem Tarif. Für die Bereitstellung der Busse erhielt die HHA
zusätzlich eine Vergütung durch den Auftraggeber. Der HHA, aber auch der VHH, gelang
es in den nächsten Jahren mit weiteren großen Unternehmen wie Blohm & Voss,
Otto-Versand, Norddeutsche Affinerie (NAF – heute Aurubis), Karstadt und
Springer-Verlag Vereinbarungen über diese besondere Art des
Berufslinienverkehrs abzuschließen.
Eine Aufstellung des HVV von 1983 zeigt aber, dass zu dieser Zeit der „Buslinienverkehr mit Belegschaftsbeteiligung“ nur noch von HDW und NAF bestellt wurde. Es überwog die klassische Form des Berufslinienverkehrs mit Stellung von Fahrzeug und Fahrpersonal durch das Verkehrsunternehmen. Mit Aufgabe des Standortes Hamburg endete 1985 der HDW-Berufslinienverkehr. Mit der Einrichtung einer verbesserten HVV-Anbindung an den S-Bahnhof Veddel gab auch NAF im Mai 1995 diesen besonderen Berufslinienverkehr auf und dieses Kapitel Hamburger Verkehrsgeschichte konnte geschlossen werden.
Text: Lutz Achilles / HOV