Bild des Monats Mai 2011

 

 

Unser Mitglied wird 100!

 

Die Hamburger werden seit mehreren Jahren auf das 2012 bevorstehende Jubiläum „100 Jahre HOCHBAHN“ vorbereitet. Gemeint ist damit in erster Linie die Hamburger U-Bahn, die bis heute von vielen Hamburgern aufgrund ihres hohen Anteils oberirdisch geführter Streckenteile umgangssprachlich immer noch als „Hochbahn“ bezeichnet wird. Aber zum Betrieb einer Bahn gehört eine Betreibergesellschaft. Die Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft (HHA), seit 2001 auch Mitglied im HOV, wurde hierzu am 27.05.1911 gegründet. Gründungsgesellschafter waren damals die beiden großen Elektrizitätsgesellschaften AEG und Siemens, denen damals im Kaiserreich auch in den anderen deutschen Städten der Bau und Betrieb von elektrischen Verkehrsmitteln, zumeist Straßenbahnen, übertragen wurde. Hamburg erhielt damit, nach Berlin, als zweite deutsche Stadt eine U-Bahn.

 

Dieser Beitrag soll sich nicht mit der umfangreichen Geschichte der Gesellschaft beschäftigen - diese wird bereits in verschiedenen Publikationen gebührend dargestellt -, sondern mit den Menschen, die auf vielfältige Weise zum Gelingen dieses für die Stadtentwicklung Hamburgs prägenden Verkehrsmittels beigetragen haben. Dieser Beitrag wird sich mit dem Betriebspersonal, das tagtäglich im „Kundenkontakt“ steht, beschäftigen. Der Vollständigkeit halber darf natürlich nicht das technische und kaufmännische Personal unerwähnt bleiben, das für den täglichen reibungslosen Betriebsablauf und einen effizienten Mitteleinsatz steht. Dadurch gelang es der Gesellschaft über Jahrzehnte hinweg Überschüsse und heute einen im Bundesvergleich hervorragenden Kostendeckungsgrad zu erzielen.

 

In den ersten Jahren der HHA bevorzugte die Verwaltung das Einstellen von Personal, das beim Militär gedient hatte. Entsprechend militärisch ging es auch im täglichen Betrieb zu. Der Ausbruch des I.Weltkriegs 1914 bedeutete daher eine erste Zäsur für die noch junge Gesellschaft. Das „gediente Personal“ wurde in großer Zahl zum Kriegsdienst eingezogen und die Todesanzeigen für die Gefallenen fielen in den Geschäftsberichten der Folgejahre immer umfangreicher aus. Trotz anfänglicher Skepsis konnte durch den Einsatz von Frauen, auch in körperlich anstrengender Tätigkeit, der Betrieb, der kriegsbedingt noch ausgeweitet werden musste, weitgehend aufrechterhalten werden. Mit der Beschäftigung von Frauen bildete die HHA im Kaiserreich aber damals keine Ausnahme.

 

Der verlorene Weltkrieg und die revolutionäre Stimmung in der jungen deutschen Republik führten sehr schnell zu Streiks für bessere Arbeitsbedingungen, so auch bei der HHA. Neben höheren Löhnen und der Einführung des Achtstundentags gelang es, den militärischen Umgangston beim Betriebspersonal und die beim Personal verhassten Mützennummern abzuschaffen. Für die zahlreichen Kriegsheimkehrer hatten die Frauen aber jetzt wieder weitgehend zu weichen. 1918 war aufgrund staatlicher Intervention die HHA zu einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen mit Staatsbeteiligung geworden. Das Personal der Betriebszweige Straßenbahn und später Alsterschifffahrt kam so hinzu. Seit 1921 befand sich auch der Autobusbetrieb der HHA im Aufbau. Der Personalbestand der Gesellschaft vergrößerte sich so schlagartig. Doch es sollte noch lange dauern, bis es zu einem Zusammenwachsen der verschiedenen Betriebszweige kam. Aber die Grundlagen für die „Hochbahner-Familie“ waren geschaffen, folgten doch später Kinder von Hochbahnern ihrem Elternteil in die Gesellschaft, so dass es heute Hochbahner in der x-ten Generation in den verschiedenen Sparten dieses großen Nahverkehrsunternehmens gibt. 

 

Das Leben in Deutschland und in Hamburg war im 20. Jahrhundert immer wieder von Krisen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt, durch Engagement, Pflichtbewusstsein und Improvisation der HHA-Mitarbeiter gelang es, den Alltag in der Millionenstadt weitgehend in geordneten Bahnen verlaufen zu lassen. Technischer Fortschritt und geänderte Vorschriften erleichterten dem Fahrpersonal zunehmend seinen harten Dienst. Für lange Zeit war aber aus verschiedenen Gründen das Ansehen der HHA bei den Hamburgern eher spannungsgeladen. Hierzu beigetragen haben dürfte auch der rauhe Umgangston zwischen Betriebspersonal und dem über Jahrzehnte als „Beförderungsfall“ angesehenen Fahrgast. Auch wenn die HHA mit neuen Verkehrsangeboten wie „Schnellbus“ und „Citybus“, mit neuen Fahrzeugen und dem engagierten Einsatz für die Gründung des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) immer wieder versuchte, mehr Nachfrage für ihre Verkehrsmittel zu erzeugen, so wurde doch bei ausufernden Kosten und politischer Vorgabe zur Defizitreduzierung lange Zeit immer wieder mit Angebotsreduzierung und Fahrpreiserhöhungen reagiert und damit oft eine „Abwärtsspirale“ mit sinkenden Fahrgastzahlen in Gang gesetzt. Ein allmähliches Umdenken begann zu Beginn der 1980er-Jahre. Erst 1983 wurde im HVV der „Beförderungsfall“ zum „Fahrgast“. Das Personal schulte man im kundenorientierten Umgang und durch gezieltes Marketing umwarb man den potentiellen Fahrgast.

 

Trotzdem stieg in den Folgejahren das Defizit der HHA und den übrigen im HVV organisierten Nahverkehrsunternehmen weiter. Der Senat, insbesondere nach Eintritt der FDP in die Regierung, verschärfte deswegen seine Sparvorgaben. Die HHA reagierte darauf u.a. mit der Verlagerung von Busleistungen auf Fremdunternehmen, dem Verkauf von ertragreichen Tochtergesellschaften, der Verringerung des Busbestands und 1988 mit der Schließung des Busbetriebshofs Schützenhof in Altona. Mit Verringerung der bisher bezahlten Aufrüstzeiten im Betriebsdienst und einem neuen Vergütungssystem wurde auch Sparbemühungen beim  Personal eingefordert. Und zum Sommerfahrplan 1989 kam es erneut zu Verringerungen im Leistungsangebot des HVV außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Massive Proteste der Fahrgäste, des Personals und der Gewerkschaften, eine geänderte Wahrnehmung des motorisierten Individualverkehrs, aber auch die Öffnung der innerdeutschen Grenze, die die Randlage Hamburgs in der Bundesrepublik beendete, brachten ein Umdenken in der Politik, insbesondere bei der mitregierenden SPD. Anfang 1990 entwickelten Senat und Bürgerschaft Mehr-Punkte-Programme um die Attraktivität des ÖPNV in Hamburg zu verbessern. So kam es u.a. zu Verbesserungen im Betriebsablauf im Oberflächenverkehr durch weitere Busspuren und optimierte Ampelschaltungen, allerdings nur in ausgewählten Bereichen. Das Verkehrsangebot wurde wieder ausgeweitet und durch verschiedene Marketingmaßnahmen abgesichert. Ein Erfolg mit steigenden Fahrgastzahlen stellte sich ein. Auch die Wiedereinführung der Straßenbahn in einer modernen Form wurde nun ein Thema der Oppositionsparteien GAL und CDU, aber später auch der SPD.

 

Die HHA forcierte ihre seit Jahrzehnten verfolgten Bemühungen zur Rationalisierung im Unternehmen, um so den Kostenanstieg und das Gesamtdefizit zu begrenzen. Das bedeutete für das Personal, insbesondere im Betriebsdienst von Bus und U-Bahn, harte Einschnitte, auf lieb gewordenes musste verzichtet werden, aber es gab auch Verbesserungen durch Rückholung von bisher fremd vergebenen Verkehrsleistungen im Bussektor und dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Proteste blieben natürlich nicht aus. Ab Mitte der 1990er-Jahre stellten sich Erfolge in Form einer Steigerung des Kostendeckungsgrads und erhöhter Fahrgastzahlen ein und es gelang durch vielfältige innerbetriebliche Maßnahmen, die Mitarbeiter von der Notwendigkeit des eingeschlagenen Kurses (weitgehend) zu überzeugen und sie auf dem Weg zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit und einem geänderten Kundenbewusstsein als Dienstleister mitzunehmen.

 

Dadurch wurde es möglich, die HHA auch noch nach hundert Jahren als größter Anbieter von Nahverkehrsleistungen in Hamburg zu erhalten und auf neue EU-Vorgaben vorzubereiten. Über ihre Tochtergesellschaft „BENEX“ ist die HHA heute zu einem „Nationalplayer“ auf dem deutschen Verkehrsmarkt geworden, um so als einer der größten Arbeitgeber Hamburgs Arbeitsplätze in dieser Region zu sichern. Ende 2009 arbeiteten 4.413 Personen für die HHA, davon im Bereich Betrieb und Infrastruktur 3.466, davon 355 weiblich.

 

Die Mitarbeiter der HHA haben die verschiedensten Qualifikationen. Neben anerkannten Berufsabschlüssen in Ausbildungsberufen werden insbesondere Mitarbeiter im Fahrdienst auf ihre Tätigkeit intensiv vorbereitet, ohne jedoch dabei einen anerkannten Ausbildungsabschluss zu erhalten. Erst seit Dezember 1975 haben Busfahrer in berufsqualifizierenden Kursen die Möglichkeit, sich weiterzubilden und so den Abschluss als „Berufskraftfahrer“ zu erwerben. Hiervon wurde in der Folgezeit immer mehr Gebrauch gemacht.

 

Unser Bild des Monats zeigt eine Gruppe von sechs angehenden Busfahrern mit ihrem Fahrlehrer Horst Winter im Frühjahr 1972 auf dem Betriebshof Langenfelde vor dem Motor eines Daimler-Benz O 305 der zweiten Serie (Fahrschulwagen 1109) bei ihrer dreimonatigen Ausbildung. Der HOV erhält in seiner Sammlung verschiedene Fahrzeuge dieses für die 1970er und 1980er in Hamburg prägenden Bustyps, mit Wagen 1071 auch ein Fahrzeug aus dieser zweiten Serie.

 

Seit 1921 hat die HHA eine eigene Fahrschule für Busfahrer. Neben der Vermittlung der Grundlagen für die Fahrgastbeförderung mit Bussen wird auch Technik und natürlich Tarifkunde vermittelt, weil seit Ende der 1950er Jahre keine Schaffner mehr in den Bussen der HHA mitfahren und der Busfahrer das Kassiergeschäft übernommen hat. Auf diesem Foto sieht man auch die ersten drei Frauen, die bei der HHA zu Busfahrerinnen geschult worden sind. In der alten Bundesrepublik war damals die HHA hier Vorreiter bei den Nahverkehrsunternehmen. Durch die Änderung einer Verordnung von 1940 ist es seit 1972 erlaubt, auch Frauen im Busfahrdienst einzusetzen. Zu dieser Zeit war das in vielen europäischen Ländern aber bereits gelebte Wirklichkeit. Bei der HHA nutzten nun Frauen, die vorher als Fahrerinnen oder Schaffnerinnen bei der Straßenbahn eingesetzt waren, diese Möglichkeit zum Umstieg. Für die HHA ergab sich so eine weitere Möglichkeit dringend benötigtes Fahrpersonal zu erhalten. Zu dieser Zeit waren die Bemühungen der HHA, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Personal zu gewinnen, wenig erfolgreich. Viele Hamburger werden sich noch daran erinnern, dass damals bei Bus und Straßenbahn aus Jugoslawien angeworbenes Personal tätig war. 

 

Alle Mitarbeiter tragen noch die schwere graue Stoffuniform mit den bis 1973 gebräuchlichen Abzeichen. Zum geänderten Erscheinungsbild der Gesellschaft und ihrer Mitarbeiter gehört seit Jahren eine zeitgemäße Bekleidung. Für 2011 ist erneut eine Umstellung bei der Dienstbekleidung vorgesehen.         

Text:Lutz Achilles / HOV


Zu älteren Bildern des Monats