Bild des Monats August 2011

 

 

Hamburg – ein schwieriges Pflaster für MAN-Busse

 

Wurde der Hamburger Busverkehr in den 1960er-Jahren von den Saturn-Bussen des Omnibusherstellers Magirus-Deutz geprägt, so deutete sich ab 1967 ein Umschwung an. Damals beschaffte die HHA von Daimler-Benz 90 DB O 302 St-Busse, mit Wagen 6789 erhält der HOV einen Vertreter dieses vom Reisebus abgeleiteten Stadtbusses. Nach Einführung des VÖV-Standardlinienbus Typ I ab 1968 in Hamburg konnte Daimler-Benz seine Stellung ausbauen und ab 1969 von seinem Typ DB O 305 sehr große Stückzahlen an die Hamburger Verkehrsunternehmen HHA, VHH und ab 1972 auch PVG liefern. Kamen anfangs auch noch Standardlinienbusse von den anderen Herstellern Büssing und Magirus-Deutz zum Einsatz, wurden ab 1972 nur noch Busse „mit dem Stern“ beschafft. Eine kurze und von den Stückzahlen her eher unbedeutende Zwischenepisode stellten die aus politischen Gründen zwischen 1973 und 1977 aus dem Ostblockstaat Ungarn an die VHH ausgelieferten Ikarus 190 dar. Die Busse entsprachen den vom VÖV für die Bundesrepublik gemachten Vorgaben für einen Standardlinienbus. Diese Ikarus-Busse, von denen sich der Wagen 7345 (Baujahr 1973) heute in der Fahrzeugsammlung des HOV befindet, hatten aber Lizenzmotoren von MAN. MAN konnte mit seinem Standardtyp SL 192 (vorher 750 HO-SL) aber auf dem Hamburger Busmarkt keinen Boden gewinnen. Lediglich die für die HHA im Auftrag fahrenden Privatunternehmer Berbig, Rohweder, Roßbalson und Pelka beschafften ab 1971 vereinzelte MAN und vergrößerten damit ihren bunten aus Neu- und Gebrauchtbussen bestehenden Wagenpark. So gelangten nur wenige HVV-Fahrgäste in den Genuss, auch mal mit einem MAN-Standardlinienbus befördert zu werden.

 

Der Hamburger Busverkehr in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde so durch den DB O 305 dominiert. Für den Fahrgast gab es kaum erkennbare Unterschiede im Wagenpark der einzelnen Unternehmen, weil die Fahrzeuge auch eine die Verkehrsunternehmen übergreifende Einheitslackierung trugen. Ab Ende 1984 begann in Hamburg die Einführung des Standardlinienbusses II, an dessen Entwicklung die HHA-Tochter FFG ihren maßgeblichen Anteil hatte. Dieser Bustyp stammte erneut aus dem Haus Mercedes-Benz. Der MB O 405 wurde sogleich in einer größeren Anzahl bestellt. Alles deutete darauf hin, dass Hamburgs Busfahrgäste weiter unter dem „guten Stern“ fahren würden. Umso größer die Überraschung, als vor 25 Jahren im Juni 1986 in Hamburg bei HHA und VHH mit den Wagen 2600 und 8650 je ein MAN-SL 202 (Standardlinientyp II) auftauchte. Beide Busse trugen die Hamburger Stadtbuslackierung; während der HHA-Wagen die große Bestuhlung und über Automatikgetriebe verfügte, hatte der VHH-Wagen die kleine Bestuhlung und Schaltgetriebe. Beide Busse waren Vorführwagen und innerhalb kurzer Zeit auf verschiedenen Busbetriebshöfen beheimatet, um so möglichst vielen Fahrern die Möglichkeit zu geben, diesen neuen Bustyp zu testen.

 

Unser Bild des Monats zeigt den VHH 8650, der am 18.04.1987 abfahrbereit am ZOB Hamburg, Bussteig 0 steht. Der Bus hat, wie der MB O 405, die markante Kastenform, den augenfälligsten Unterschied zum Konkurrenzmodell stellen die nicht in die Fahrzeugfront integrierten Scheinwerfer dar. Der ZOB Hamburg ist seit den 1950er-Jahren traditionell Ausgangspunkt für die Buslinien in die Vier- und Marschlande, dem ländlichen Teil von Hamburg. Mittlerweile ist die Busanlage grundlegend umgebaut und zum „Bus-Port Hamburg“ geworden. Im Hintergrund sieht man den traditionsreichen Besenbinderhof mit dem zwischen 1903 und 1913 in verschiedenen Bauabschnitten errichteten Gewerkschaftshaus.

 

Der VHH-Wagen 8650 gelangte am 01.02.1989 zur VHH-Tochter Orthmann's Reisedienst. Hierbei erhielt er die neue Wagennummer 8690 und auch eine Poplackierung. Während dieser Wagen bereits im März 1992 verkauft wurde, verblieb der Wagen 2600 noch bis September 1995 bei der HHA im Einsatz. Folgeaufträge für MAN gab es nicht. Das lag u.a. auch daran, dass die HHA 1986 die Beschaffung weiterer Stadtbusse unterbrach, weil aufgrund politischer Vorgaben die HHA Fahrleistungen an Fremdunternehmer vergeben musste. Auch erhob die Politik die Forderung, die Einstiegsverhältnisse für Behinderte zu verbessern. Das war mit den herkömmlichen Hochflurwagen nicht möglich. Den Omnibusherstellern musste eine Zeit zur Umstellung auf Niederflurbusse eingeräumt werden. Die VHH und PVG beschafften zunächst weitere MB O 405 in Hochflur-Ausführung.

 

Als 1990 die Fahrzeugindustrie erste Niederflurbusse anbieten konnte, erhielten sowohl Mercedes-Benz als auch MAN durch die HHA eine Chance, jeweils drei Vorführwagen zu liefern. Die im Mai 1990 in Betrieb genommenen MAN NL 202 (Wagen 1004 – 1006) blieben bei der HHA aber nur bis Oktober 1995. Und Folgeaufträge gab es zunächst vorläufig nicht. Es blieb bei der Beschaffung von Bussen mit dem Stern.

 

Ende 1997 stellte Mercedes den neu entwickelten Citaro vor. Die HOCHBAHN beschaffte als erstes VÖV-Unternehmen 1997/98 eine größere Anzahl von diesem neuen Bustyp. Die Fahrzeuge erwiesen sich aber „als Zitronen“, weil sie zahlreiche Verarbeitungsmängel hatten, so dass es letztendlich zu einem Komplettaustausch der ersten beiden Serien kam. 1999 nahm die HOCHBAHN eine Kleinserie von verbesserten Citaro-Bussen (Wagen 1901 – 1905) in Betrieb. Parallel dazu beschaffte sie mit Wagen 1900 einen MAN NL 263, der ausgiebig getestet und über die Betriebshöfe geschickt wurde. Trotz weiter bestehender Fertigungsmängel („Klappergeräusche“) beschaffen die Hamburger Verkehrsunternehmen bis heute Mercedes-Citaro-Busse. Lediglich zwischen 2000 und 2004 bestellte die HOCHBAHN in geringen Stückzahlen MAN NL 263 (28x) und die Gelenkbusausführung NG 313 (20x). In 2005 kamen ergänzend zu den zehn Doppelgelenkbussen noch zwölf kurze Van Hool A 330 hinzu. Auch die HOCHBAHN-Tochter SBG hat heute 13 MAN-Busse in ihrem Bestand, aber auch 17 Volvo-Busse. Die Firma Jasper erprobte für kurze Zeit Busse von Neoplan.* Die VHH beschafften nach dem Wagen 8650 keinen weiteren MAN-Bus mehr. Geblieben ist so die im Stadtgebiet unübersehbare Dominanz von Mercedes-Bussen. Die HOCHBAHN hat heute ihre MAN-Busse auf dem Betriebshof Wandsbek und die Van Vool-Busse auf dem Betriebshof Langenfelde konzentriert, so dass nur im Hamburger Osten bzw. im Westen eine überschaubare Vielfalt an verschiedenen Bustypen besteht. 

 

Hamburg ist für MAN weiterhin ein schwieriger Verkehrsmarkt. Ein Vorfall vom 22.01.2007 verdeutlicht sinnbildlich die schlechte Stellung von MAN gegenüber Mercedes in Hamburg. An diesem Tag geriet der auf dem Betriebshof Wandsbek abgestellte Citaro-Gelenkbus 7021 durch Selbstentzündung in Brand. Beherztes Eingreifen der HOCHBAHN-Mitarbeiter verhinderte eine größere Katastrophe auf dem Betriebshof. Nur der zufällig unmittelbar hinter dem in Brand geratenen Bus im Aufstellstrang stehende MAN-Gelenkbus 7415 konnte nicht mehr gerettet werden. Die auf ihn übergeschlagenen Flammen ließen den Vorderwagen ausbrennen und so zu einem Totalschaden werden, wie auch Wagen 7021. Beide wurden im Januar 2008 durch die Citaro-Gelenkbusse 7801 und 7802 ersetzt.

* weitere Einzelheiten siehe www.hamburger-fuhrparklisten.de

Text: Lutz Achilles, HOV


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