Bild des Monats August 2012
Fahrzeugmodelle
als Ersatz für die Wirklichkeit
Wie
schon im „Bild des Monats“ Mai 2012 geschildert, ist der Umstand, dass in
Hamburg historische Verkehrsmittel im Original von der über 170 jährigen
Geschichte des Öffentlichen Personennahverkehrs Zeugnis ablegen können,
überwiegend der Initiative von Privatpersonen und Vereinen zu verdanken. Es
gelang einen repräsentativen Querschnitt abzubilden, der so manchen
Entwicklungsschritt nacherlebbar für heutige Generationen macht. Wünschenswert
wäre natürlich der Erhalt des einen oder anderen weiteren Beförderungsmittels
im Original gewesen, aber nicht machbar. Andere Städte waren da erfolgreicher.
Schon
seit langem bedient man sich eines dem Original nachempfundenen Modells, um so
im verkleinerten Maßstab die Wirklichkeit nachzustellen. Bis heute lassen
Modelleisenbahnen Kinderherzen, aber vor allen die von Erwachsenen höher
schlagen, weil diese - mit Liebe zum Detail - die Wirklichkeit abbilden und zum
Träumen verleiten. Und wie das „Miniaturwunderland Hamburg“ beweist, kann eine
Modellbahnanlage zu einem weltweit bekannten Besuchermagnet werden und zu einem
kommerziellen Erfolg führen. Modellbahnanlagen in Hamburg haben aber schon
lange Tradition, wie die in den 1950er-Jahren durch die „Freunde der Eisenbahn“
geschaffene Anlage, die auch heute noch im „Museum für Hamburgische Geschichte“
zu sehen ist.
Aber
auch das eine oder andere Modell (in unterschiedlichen Maßstäben) von Hamburger
Nahverkehrsmitteln findet sich heute im o.g. Museum oder zu Dekorationszwecken
in Räumen der Hamburger Hochbahn AG und anderen Nahverkehrsunternehmen. Diese
Modelle wurden meist zu besonderen Anlässen, häufig durch Lehrlinge,
angefertigt. Aber auch die Fahrschulen verwenden Fahrzeugmodelle zu
Unterrichtszwecken. Oft auch im 1:1-Format des großen Vorbilds. Sind für die
U-Bahn-Fahrschule diese Modelle speziell angefertigt, bediente sich die
Straßenbahn- und Busfahrschule früher einzelner Fahrzeugsegmente ausgemusterter
Fahrzeuge, die unter großen Mühen in die Unterrichtsräume verbracht wurden.
Aber allen Modellen gemeinsam ist, dass diese nur wieder einen Bruchteil der
Geschichte der Hamburger Nahverkehrsmittel abbilden, sofern heute überhaupt
noch vorhanden.
Wie
in anderen Städten auch, versuchen in Hamburg Verkehrsfreunde diese Lücken in
der Darstellung nicht nur mit Fotos, sondern auch anhand von Fahrzeugmodellen
zu schließen. Auch im HOV finden sich einige Mitglieder, die schon eine
beeindruckende Anzahl derartiger Fahrzeugmodelle, meist im Maßstab 1:87,
gesammelt oder selbst gebaut haben. Unser Bild des Monats soll sich diesem
Personenkreis widmen. Es zeigt einen 1927 durch die HOCHBAHN beschafften BÜSSING
VI GI D2/C4 (Serie 61 - 80), der noch über Rechtslenkung und einen
Benzinmotor verfügte. Einzelne Exemplare fuhren noch in den ersten
Nachkriegsjahren über Hamburgs Straßen. Das Fahrgestell für dieses Modell
stammt von einem Mercedes Dreiachser Lkw der Fa. ROSKOPF mit Trilexrädern der
Fa. WEINERT. Der Aufbau ist aus Kunststoff und Plexisglasplatten komplett
selbst gebaut. Scheinwerfer und Zurüstteile kommen ebenfalls von der Fa.
WEINERT. Um ein solches Modell zu bauen, heißt es zu improvisieren und viel
Zeit zu investieren.
Der
HOV besaß für einige Jahre aus dieser Serie den Aufbau vom Wagen 66, der als
ehemaliger Zirkus-Toilettenwagen ohne Motor und ohne Originalfahrgestell als
„herrenlose Sache“ auf einem Abbruchgrundstück in Hamburg-Barmbek stand. Der
schlechte Erhaltungszustand und Platzmangel führten schließlich zu dem
Entschluss, sich von diesem Torso wieder zu trennen. Es handelte sich dabei um
die Reste des letzten HOCHBAHN-Omnibusses der Vorkriegszeit.
Während
es für Eisenbahnmodelle schon seit über hundert Jahren Hersteller gibt, sah das
für Modelle von Nahverkehrsfahrzeugen lange anders aus. Während viele
bundesdeutsche Städte, insbesondere nach dem II.Weltkrieg, Fahrzeuge von den
großen Waggonfabriken und den Busherstellern beschafften, ergab sich so für die
Hersteller von Fahrzeugmodellen die Möglichkeit aus einem Grundmodell mit
Adaptionen regional abgewandelte Modelle anzubieten und so verschiedene
Nachfragen zu befriedigen. Aber auch einzelne Verkehrsbetriebe förderten die
Herstellung entsprechender, regional geprägter Modelle.
Nicht
so aber in Hamburg, mit dem über Jahrzehnte durch die Wagenbauanstalt
Falkenried geprägten Fahrzeugpark für Straßenbahn und U-Bahn, und den für
Hamburg abgewandelten Omnibussen der großen Hersteller. Es ist das Verdienst
eines Spielwarenhändlers aus Hamburg-Winterhude, der im Zuge der Stilllegung
der Hamburger Straßenbahn in den 1970er-Jahren begann, in England durch
„BEC-Kits“ gefertigte Bausätze von Hamburger Straßenbahnmodellen in Weißmetall
zu verkaufen. Ein Anfang, aber der wahre Verkehrsfreund strebte nach mehr,
insbesondere, wenn es um die Darstellung der Omnibusgeschichte ging!
Ideenreichtum
und Fingerfertigkeit waren gefordert, um so manches industriell hergestellte
Fertigmodell einen „Hamburger Bus“ zu verwandeln. Häufig konnten nur
Grundsegmente übernommen werden, der Rest war neu zu erstellen, maßstabsgetreu!
Bis heute gilt das für so manchen Bustyp der Vergangenheit weiter. Aber die
traditionellen Hersteller, wie auch neue Anbieter, haben mittlerweile das
Marktpotential erkannt und bieten heute in großer Vielfalt Fahrzeugmodelle in
regionalen Abwandlungen und aus verschiedenen Epochen an. Der Einsatz von
Computer- und Lasertechnik und neuer Werkstoffe erlaubt jetzt die Herstellung
von Kleinserien zu wirtschaftlichen Bedingungen. Einzelne Busse aus der
HOV-Sammlung dienten in letzter Zeit schon als Vermessungsmodelle. Auch gibt es
zunehmend ein breites Angebot von Zubehörteilen zur Darstellung von
Verkehrssituationen in Großstadtkulissen. Da Hamburg seine Omnibusse
mittlerweile auch „von der Stange“ bezieht, ergibt sich so ein wachsender Markt
von Fertigmodellen in Hamburger Ausführung. Aber so mancher begabter
Modellbauer findet an diesen Modellen Ungenauigkeiten, die es zu verbessern
gilt und zu einer Nachbearbeitung führen.
Die
HOV-Mitglieder, die Modellbau betreiben, können heute eine Sammlung vorweisen,
die die langjährige Fahrzeuggeschichte Hamburgs repräsentativ darzustellen
hilft. Das gilt für die Straßenbahn und den Bus und mit Abstrichen auch für die
U-Bahn. Somit ist es gelungen, die bestehenden Lücken bei den Sammlungen von
Originalfahrzeugen zu schließen. Leider fehlt die Möglichkeit diese Schätzchen
auf Dauer zu zeigen. Aber sicherlich kann da die moderne Technik weiterhelfen.
Wir arbeiten daran. Hoffentlich bald mehr!
Text: Lutz Achilles / HOV