Bild des Monats Oktober 2012
Umsteigeanlage
U Wandsbek Markt wird 50
Auch wenn die Hamburger Hochbahn AG sich in 2012 bei ihren Veranstaltungen schwerpunktmäßig auf die Eröffnung des Hamburger U-Bahnrings vor 100 Jahren konzentriert, gibt es in diesen Jahr weitere Ereignisse im Hamburger Nahverkehr, an die es zu erinnern lohnt.
Für
die Wandsbeker gab es derartige Ereignisse zu Beginn der 1960er-Jahre. Im
Dezember 1958 entschied der Hamburger Senat, endgültig den 1955 mit der
Streckenverlängerung ab Jungfernstieg wieder aufgenommenen U-Bahn-Bau zu
nutzen, um die Starkbelasteten Straßenbahnlinien 3, 5, 8 und 16 nach Wandsbek
durch eine U-Bahn zu ersetzen. Am 01.10.1960 mussten die Wandsbeker sich von
ihrer seit 1866 bestehenden Schienenverbindung auf der Straße verabschieden,
weil die Flächen für den U-Bahnbau benötigt wurden. Für die Strecke der Linie 8
(später 16) nach Farmsen gab es noch eine Gnadenfrist bis 1963. Auf der
wichtigen Relation Wandsbek Markt – Hauptbahnhof setzte die HOCHBAHN zeitweise
bis zu 75 Busse ein, die dann im Minutentakt verkehrten, um die gegenüber einem
Straßenbahnzugerheblich geringere Kapazität eines Busses auszugleichen.
Die
so genannte „Wandsbeker U-Bahn“, die heute Teil der U1 ist, ersetzte nur die
Verbindung zwischen Wandsbek Markt und der Hamburger Innenstadt. Die
Straßenbahn bot aber über ihre 1954 eröffnete Neubaustrecke nach Jenfeld und
über weitere Strecken im Raum Wandsbek verschiedene Direktverbindungen in die
Hamburger Innenstadt (und darüber hinaus) an. Mit der Umstellung auf den
U-Bahnbetrieb wurde der so genannte gebrochene Verkehr, der bis 2001 für den
Hamburger Nahverkehr prägend war, für Wandsbek eingeführt. Künftig hatten Busse
als Zubringer zur U-Bahn zu fungieren, Direktverbindungen im
Oberflächenverkehr in andere Stadtbezirke entfielen mit Ausnahme der
Schnellbuslinien. Zur Weiterfahrt in die Innenstadt musste auf die U-Bahn
umgestiegen werden.
Als
zentralen Umsteigepunkt wählten die Verantwortlichen die Fläche zwischen Wandsbeker
Marktstraße, Schloßstraße und Wandsbeker Allee am Wandsbeker Markt, der auch
schon für die Straßenbahn einen Verzweigungspunkt darstellte. Hierzu wurde eine
überdachte ovale Haltestelleninsel von 106 Meter Länge und 29 Meter Breite
oberhalb der U-Bahn-Haltestelle Wandsbek Markt nach den Plänen von Heinz Graaf
errichtet. Die Fahrgäste konnten so, ohne Straßen queren zu müssen, zwischen
den Verkehrsmitteln umsteigen. Die HOCHBAHN hatte mit dem 1951 eröffneten ZOB
am Hauptbahnhof bereits einschlägige Erfahrungen mit einer zentralen
Umsteigeanlage für Busse gesammelt.
Mit
der Inbetriebnahme der Streckenverlängerung der U-Bahn von Wartenau bis
Wandsbek Markt am 28.10.1962fuhren auch die zunächst nur vier
Zubringer-Buslinien den ZOB Wandsbek an. Unser Bild des Monats erinnert daran
mit einer vermutlich im Frühjahr 1963 entstandenen Ansichtskarte. Zu
sehen ist die in eine parkähnliche Landschaft eingebundene Umsteigeanlage
Wandsbek Markt mit dem markanten wellenförmigen Dachring. Die Aufnahme
vermittelt eine idyllische Ruhe auf der im Uhrzeigersinn befahrenden Anlagen
mit dem für die 1960er Jahren in Hamburg prägenden Bustyp „Magirus-Deutz
Saturn II (Typ Hamburg)“, hier ein Bus der 1962 gelieferten Serie 7200 bis
7265. Der HOV hat drei Omnibusse dieses Typs in verschiedenen Ausführungen in
seiner Sammlung. Einige Passanten genießen die wärmenden Strahlen der
Frühlingssonne. Fahrgäste, die hier in den Hauptverkehrszeiten umsteigen,
merken heute von dieser scheinbaren Ruhe nichts mehr. Die Christuskirche
im Hintergrund ist noch ohne den heute vom Kirchenschiff abgesetzten
Glockenturm. Im Zuge des Straßenausbaus Wandsbeker Allee (Ring 2) musste der
alte Glockenturm abgebrochen werden, das Kirchenschiff durfte stehen bleiben.
Die
drei in der Mitte der Umsteigeanlage angelegten Fahrtreppen stellten zusammen
mit einer festen Treppe damals den einzigen Zugang dar. Die Fahrgastströme
wurden in einer darunterliegenden Verteilerebene mit zum Teil sehr langen
Fußgängertunneln zu den Ausgängen bzw. zur U-Bahn geleitet. Ein Betreten der
Anlage über die Fahrspuren für die Busse war für die Fahrgäste untersagt, wurde
aber trotzdem zunehmend praktiziert. Erst mit dem Umbau der Anlage ab 2001
entstanden entsprechend gekennzeichnete oberirdische Zuwegungen für Fahrgäste.
Zuvor war im Oktober 2000 der lange und wenig von Fußgängern, aber umso mehr
von Drogenhändlern genutzte Fußgängertunnel zur Wandsbeker Allee verschlossen
worden.
Der
Ausbau des Busliniennetzes im Raum Wandsbek führte zu vermehrten Busan- und
abfahrten und wachsenden Fahrgastströmen. War die Umsteigeanlage zu Beginn für
30.000 Fahrgäste und bis zu 60 Busse in der Stunde ausgelegt, steigen hier
heute über 50.000 Fahrgäste bei einer stündlichen Busfrequenz von bis zu 110
Bussen um. Im Laufe der 50 Jahre hat die Umsteigeanlage deswegen mehrere
Umbauten erfahren. Auch die seit 1982 den ZOB anfahrenden Gelenkbusse machten
eine Erweiterung der Kapazitäten erforderlich. Es mussten weitere Abfahrts- und
Haltebereiche geschaffen werden. Anlässlich des ersten größeren Umbaus 1985
verloren die Wandsbeker ihren so beliebten Treffpunkt „Käseglocke“, ein
Oberlicht aus Milchglas, das die Schalterhalle mit Tageslicht versorgte.
Auch
spätere Änderungen, umso den Betriebsablauf zu verbessern, konnten nicht
verhindern, dass die Anlage „in die Jahre kam“. Auch vermittelten die
Grünflächen um die Anlage zunehmend einen ungepflegten Eindruck. In Abstimmung
mit dem Bezirk Wandsbek ging die HOCHBAHN ab 2001 das Problem an. Bei
zeitweiser Sperrung der Anlage wurden die Abfahrtsbereiche neu gebaut, über dem
wellenförmigen Dachring entstand in der Mitte ein zusätzliches Glasdach, so
dass dadurch weitere Bereiche der Anlage vor Regen geschützt werden, ohne das
ursprüngliche Erscheinungsbild dadurch stark zu beeinträchtigen. Die erhöht auf
der Anlage stehende örtliche Busleitstelle verschwand im Zuge dieses Umbaus.
Deren Aufgaben übernahm die zentrale Leitstelle im Hochbahnhaus. Am 28.03.2003
konnte die Fertigstellung des 5 Millionen Euro teuren Umbaus mit einem kleinen
Fest gefeiert werden. Die Modernisierungsarbeiten für die U-Bahnhaltestelle und
die Verteilerebene endeten 2005. Die angrenzende Grünanlage wurde durch den
Bezirk zeitgleich umgestaltet und so zu einem neuen (aufgewerteten) Mittelpunkt
im Wandsbeker Zentrum mit Café und Veranstaltungsfläche, der aber weiter vom
ungezügelt laufenden Autoverkehr umkreist wird. Die Umsteigeanlage fahren heute
eine SchnellBus-, vier MetroBus-, acht Stadtbus-, eine EilBus-, eine
RegionalBus- und drei NachtBuslinien an.
Text: Lutz Achilles / HOV