Bild des Monats
November 2012
15
Jahre CITARO-Busse in Hamburg
Seit
1968 beschafften die Nahverkehrsbetriebe der Bundesrepublik Deutschland
Omnibusse, die nach den Richtlinien des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe
(VÖV) von den verschiedenen Busherstellern gefertigt wurden. Weitere
Einzelheiten, auch zu den mit der Standardisierung verfolgten Zielen, können
der Rubrik „HOV-Verkehrsgeschichte(n)“ auf der HOV-Homepage entnommen werden.
An
die erste Phase der Standardisierung schloss sich mit der Erstellung eines
neuen Lastenheftes seitens des VÖV für den Bau eines Standardlinienbusses der
zweiten Generation der nächste Schritt an. Als erster Hersteller konnte die
Firma NEOPLAN bereits 1982 mit dem Typ N 416 (SL II) ein serienreifes Fahrzeug
am Markt platzieren. Die beiden anderen Hersteller Mercedes-Benz und MAN
mussten schnell nachziehen. Mercedes-Benz begann 1984 mit der Auslieferung des
„O 405“, der die fortgeschriebenen VÖV-Vorgaben erfüllte.
Auf
die sehr schnelle Umsetzung neuer politischer Vorgaben, künftig barrierefreie
Busse in Niederflurbauweise zu beschaffen, durch den Hersteller NEOPLAN mussten
die Mitbewerber reagieren. Die durch Mercedes-Benz und MAN als Hochflurbusse
vertriebenen Standardbusse vom Typ II wurden Ende der 1980er-Jahre in Teilen
umkonstruiert, um zumindest eine teilweise Niederflurigkeit zu erreichen. Erste
entsprechende Prototypen der beiden Hersteller gingen 1990 bei der HOCHBAHN in
die Erprobung.
Die
Hamburger Hochbahn AG war über ihre Tochtergesellschaft FFG maßgeblich an der
Entwicklung der Standardlinienbus-Baureihen I und II beteiligt. An einer
innovativen Fortentwicklung des Omnibusbaus nach VÖV-Vorgaben bestand danach
aber kein Interesse mehr. Damit begann der Einstieg zur Diversifizierung der
von den beiden großen deutschen Busherstellern angeboten Nahverkehrsbusse.
VÖV-Vorgaben für einen künftigen Standardtyp III unterblieben.
Während
MAN den Standardlinienbus II weiterentwickelte und er sich bis heute in den
Proportionen an diesen anlehnt, entwickelte Mercedes-Benz ein völlig neues
Fahrzeug.
Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an die ersten CITARO, die vor 15 Jahren, am 27.11.1997, in Hamburg der Presse anlässlich des „1.HOCHBAHN-Forum“ vorgestellt wurden. Hier stehen die Wagen 1806, 1809 und 1808 vor der ehemaligen Fischauktionshalle. Sie sind das Ergebnis einer vollständigen Neukonstruktion eines Niederflurbusses durch Mercedes-Benz, die im Vergleich zu ihrem Vorgänger O 405 einen erheblich höheren Anteil an Leistungselektronik aufweisen. Durch den Hersteller werden den Nutzern „niedrige Lebenszyklus-Kosten durch zukunftsorientierte Technik“ versprochen.
Nachfolgend
einzelne den CITARO bestimmende Merkmale:
·
Modernes Erscheinungsbild
durch weitläufige, durchgehende Scheiben und eine glatte Außenhaut, Innenraum
ist hell und erscheint großzügig.
·
Große Fahrtzielanzeigen
vorn und im Heckbereich (wie früher zwischen
1959 und 1961 bei den Magirus-Deutz Saturn II und Büssing 11R/U7H vom „Typ
Hamburg“)
·
Aufbau:Gerippestruktur
als Integralkonstruktion mit umlaufendem Spantensystem für 2,50 m oder
2,55 m Breite, sowie Seitenanprallschutz. Das Gerippe ist etwas leichter als
beim Vorgänger, weist aber
eine höhere Torsionsfestigkeit und Biegesteifigkeit auf.
·
Hinterachse:
Gegenüber einem O 405 ist der Niederflurbereich vergrößert, hierfür musste die
bisherige Außenplanetenachse durch eine Portalachse ersetzt werden
(wie der Hersteller NEOPLAN
das bereits 10 Jahre zuvor eingeführt hatte).
·
Federung:
Pneumatische Niveauregelventile durch elektronische Wegsensoren ersetzt.
·
Bremssystem:Neben
Scheibenbremsen an Vorder- und Hinterachse zusätzlich das vom Schwer-Lkw ACTROS
übernommene elektronische Bremssystem (EBS) mit Antiblockiersystem ABS.
·
Motor:Neue
Modellreihe OM 906 als Heavy-Duty-Motor mit den Attributen „kräftig, sauber und
sparsam“ – zunächst als Euro-2-Motor.
·
Innenraum:
stufenlose Ein- und Ausstiege
„Cantilever-Bestuhlung“ auf durchlaufenden Schienen hängend an der Innenwand
befestigt, hier zusätzlich mit Plattenprofilen verstärkt, zugleich als
Anprallschutz wirkend. Durch Aufhängung verbesserte Reinigungsmöglichkeiten,
wie auch durch eingeformte Sitze im Heckbereich.
Lichtband links und rechts der Mitteldecke.
Zwei getrennte Heizungskreisläufe für Fahrer und Fahrgäste.
Neuer Fahrer-Arbeitsplatz mit variabel einstellbarem Fahrersitz und zahlreichen
Displayanzeigen auf der Instrumententafel, elektrisch verstellbares
Fahrerfenster
Mit
großen Erwartungen übernahm die HOCHBAHN im November/Dezember 1997 als Referenzbetrieb des Herstellers
zunächst die ersten 20 von 35 Bussen des Typs CITARO – dem „Linienbus des 21.
Jahrhunderts“-, formal auch als „O 530“ bezeichnet (Wagen 1801-1820), weitere 15 Wagen folgten im März 1998 (1821-1835).So konnten alle fünf
HOCHBAHN-Betriebshöfe jeweils sieben CITRAO erhalten, die sie auch bis zu ihrer
Ausmusterung behielten.
Noch
im November 1998 wurde eine dritte Lieferung von 24 weiteren CITARO-Bussen in
Betrieb genommen (1840-1863), die Abweichungen gegenüber den ersten
beiden Lieferungen aufwiesen, hier u.a. die Luftschlitze in der Heckklappe, die
einer Überhitzung des Motors vorbeugen sollten und eine andere
Sitzplatzanordnung im Heck. Wieder erhielt jeder Betriebshof Busse aus dieser
Lieferung, die dort bis kurz vor ihrer Ausmusterung verblieben.
Der
Einsatz dieser Busse im harten Linienbetrieb verlief unbefriedigend, litten
doch die ersten CITARO an zahlreichen „Kinderkrankheiten“, weil es der
Hersteller unterlassen hatte, zunächst durch Probewagen intern die
Betriebstauglichkeit nachzuweisen. Stattdessen erfolgte die Erprobung in einer
größeren Stückzahl im Echteinsatz bei der HOCHBAHN, einem der größten deutschen
Verkehrsunternehmen. Aufgrund diverser Mängel der mit sehr viel empfindlicher
Elektronik ausgestatteten Busse, die dadurch nur eine eingeschränkte
Einsatzfähigkeit aufwiesen, fand sich schnell der Spitzname „Zitrone“ („mit
Zitronen gehandelt!“). Es gelang der HOCHBAHN, zwischen 2002 und 2004 sämtliche
CITRAO-Busse der Baujahre 1997/98 an den Hersteller zurückzugeben und durch
Neufahrzeuge in verbesserter Qualität umzutauschen.
Bei
verbesserter Fertigungsqualität konnte sich der CITARO, auch aufgrund fehlender
Alternativen bei einem offensichtlich unter den beiden großen
Omnibusherstellern aufgeteilten Verkehrsmarkt, bei vielen Betrieben in
verschiedenen Ausführungen durchsetzen und erreichte bis heute sehr hohe
Stückzahlen. Nach einem Facelift 2006 fand 2011 bereits eine Euro-6-taugliche
Weiterentwicklung des CITARO als „CITARO 2“ (C 2) auch seinen ersten Weg zur
HOCHBAHN - allerdings nur mit vier Bussen, die zunächst für zwei Jahre
angemietet sind. Hier scheinen sich aber die bitteren Erfahrungen der ersten
„CITARO-Jahre“ nicht zu wiederholen. Die als Zitronen in Hamburg
bekanntgewordenen Busse der Baujahre 1997/98 wurden vom Hersteller aufwendig
ertüchtigt und danach an andere Verkehrsbetriebe, überwiegend im Ausland,
abgegeben. Dort haben sie bis heute ihre übliche Einsatzzeit von bis zu 13
Jahren erreicht.
Mit
Unterstützung der HOCHBAHN hat der HOV Anfang 2012 den ehemaligen Hamburger Bus
1809 von den Stadtwerken Bonn (dort Wagen 9719) erworben, um ihn künftig als
historischen CITARO zu erhalten.
Er ist auf dem obigen Präsentationsfoto in der Mitte abgebildet!
VHH und PVG zeigten sich mit der Beschaffung von CITARO-Bussen angesichts der HOCHBAHN-Erfahrungen zunächst zurückhaltend und beschafften den bewährten MB O 405 weiter. Der Modellwechsel begann dort erst ab 2001 (VHH) bzw. 2002 (PVG). Die PVG hatte zuvor schon 2000 zwei CITARO in der dreiachsigen 15-m-Langversion zur Erprobung erhalten.
Text: Lutz Achilles / HOV