Bild des Monats Juli 2013

 

 

„Als Feuer vom Himmel fiel.“

 

Ende des Monats wird wieder der Opfer der schweren Bombenangriffe auf Hamburg vor 70 Jahren gedacht. In unserem Bild des Monats September 2009 hatten wir bereits an den Beginn des von Nazi-Deutschland entfesselten II. Weltkriegs erinnert. Solche Gedenkmomente sollten uns „Nachgeborene“ bewusst machen, dass Krieg immer Tod und Zerstörung bedeuten. Damals, wie heute. Auch wenn von interessierter Seite immer wieder behauptet wird, dass die moderne Waffentechnik heute Kriegshandlungen „humaner“ macht, so bleibt der Mensch dabei immer das schwächste Glied. Bleibt zu hoffen, dass die leidvollen Erfahrungen vergangener Generationen nicht in Vergessenheit geraten und auch künftig zum Frieden mahnen.

 

Im Vergleich zum I. Weltkrieg waren im II. Weltkrieg die Luftstreitkräfte massiv in das Kampfgeschehen eingebunden. Es folgten erste Flächenbombardierungen von europäischen Großstädten wie Warschau, Rotterdam und Coventry durch die deutsche Luftwaffe. Aber schon früh kam dieser Luftkrieg auch zurück ins Reich. So ist für Hamburg am 18.05.1940 der erste Luftangriff verzeichnet. Es gab 34 Tote und Sachschäden. Im Vergleich zu den  späteren Luftangriffen waren diese ersten Angriffe sehr lokal begrenzt und führten zunächst noch zu Anreisen von Schaulustigen. Über das Kriegsgeschehen in Hamburg existieren sehr genaue Aufzeichnungen. Auch die Hamburger Hochbahn AG führte sehr genau Buch über die Schäden an den Betriebsanlagen, um nach dem „Endsieg“ in der Lage zu sein, die Schäden finanziell beziffern zu können – heute ein sehr interessantes Quellenmaterial.

 

Die Intensität der Bombenangriffe auf Hamburg (und andere Städte im Reich) nahmen im Verlauf des Krieges zu, insbesondere nach Eintritt der USA in das Kriegsgeschehen im Dezember 1941. Die Luftwaffen der USA und des Vereinigten Königreichs ergänzten sich hierbei, wobei sich die Royal Air Force (RAF) auf Nacht- und die US-Airforce auf Tagesangriffe konzentrierten. Bombenangriffe der RAF auf Lübeck und Rostock mit ihren eng bebauten Stadtvierteln im März und April 1942 zeigten ganz neue Schadensbilder, weil hier erste Flächenbrände entstanden. Einen ersten Vorgeschmack auf die bevorstehende Katastrophe konnten die Hamburger beim Großangriff der RAF am 26./27.07.1942 erleben. Noch verstreut über das Stadtgebiet entstanden dabei größere Brände. Hierbei brannte u.a. der Alsterpavillon am Jungfernstieg aus.

 

Unter der Verantwortung des Air-Marshall (Sir) Arthur Harris hatte sich die Qualität der Bombenangriffe der RAF verändert, hin zu großflächigen Bombardierungen mit Spreng- und dann folgend Brandbomben, um dadurch Flächenbrände zu entfachen mit großen Folgeschäden. Und das nicht nur an für die Rüstungsindustrie wichtigen Anlagen, sondern auch ganz bewusst an Wohngebieten, um so den Durchhaltewillen der Zivilbevölkerung zu brechen.

 

Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an einen dieser sieben Großangriffe auf Hamburg, ein Jahr später. Vom 25.07. bis zum 03.08.1943 erlebten die Hamburger fünf Nacht- und zwei Tagesangriffe, die Luftangriffe Nr. 138 bis 144 in den Aufzeichnungen der Hamburger Feuerwehr. Unter dem Decknamen „Unternehmen Gomorrha“ führten vor allem Großverbände der RAF großflächige Bombardierungen mit Spreng- und Brandbomben durch. Die Kirchturmspitze von St. Nikolai in der Innenstadt, der damals dritthöchsten Kirche Deutschlands, diente hierbei als Peilhilfe, um das Stadtgebiet, Tortenstücken gleich, aufzuteilen. In der Nacht 27./28.07.1943 traf es im Hamburger Osten das Gebiet zwischen Mundsburger Damm und den Norderelbbrücken. Noch gegen Mitternacht herrschten damals in Hamburg Temperaturen von 30 Grad Celsius, die später die durch die Phosphor-Brandbomben entfachten Großbrände noch begünstigten. Das bisher nicht beobachtete Phänomen von Großbränden gewaltigen Ausmaßes, die, einer Kaminwirkung gleich, jeglichen Sauerstoff für die Bevölkerung vernichteten, ist als „Hamburger Feuersturm“ in die Fachliteratur eingegangen. In dieser Nacht war vor allem Hammerbrook mit seiner engen Wohnbebauung betroffen. Die dort schutzsuchenden Menschen erstickten, bevor sie verbrannten. Aber auch in Rothenburgsort gab es in dieser Nacht viele Opfer.

 

Seit 1880 war Rothenburgsort, ein Wohnort für die durch den Bau der Speicherstadt umgesiedelte Bevölkerung, an das Hamburger Nahverkehrsnetz angebunden. Es wurde zum Endpunkt der aus der Innenstadt kommenden Pferdebahn. Im Bereich Vierländer Damm, Zollvereinsstraße und Ausschläger Allee entstand ein Betriebshof für die Pferdebahn. Nach der Elektrifizierung der Strecke war dann ab 1895 hier ein Endpunkt für die Straßenbahn und in der Nähe, an der Wasserkunst, ein weiterer. Seit 1915 konnte man auch mit der Hochbahn Rothenburgsort erreichen. Allerdings befand sich die Haltestelle, parallel zum heutigen S-Bahnhof, zum südlich gelegenen Wohnstadtteil in einer nachteiligen Randlage. Das Verkehrsaufkommen auf der Hochbahn blieb immer gering. Die Hauptlast des Verkehrs trug hier die Straßenbahn. Am Betriebshof endeten zuletzt die Straßenbahnlinien 12 und 21. Als betrieblich günstig erwies sich später, dass an diesem Endpunkt die für Großveranstaltungen genutzte Hanseatenhalle entstand.

 

Wie auf dem Bild des Monats zu erkennen, wurde 1943 das Umfeld des Betriebshofs Rothenburgsort stark zerstört. Der Betriebshof verfügte damals über zwei V-förmig angeordnete Wagenhallen. Während die rechte Halle nur leicht beschädigt scheint, hat die dahinter liegende (nicht sichtbare) Halle ein durch Bomben zerstörtes Hallendach. Auch an vielen Straßenbahnwagen entstand teilweise Totalschaden. Die Anweisung, bei Fliegeralarm  Straßenbahnwagen außerhalb von Betriebshöfen abzustellen, um so mögliche Schäden zu verringern, brachte hier nicht viel, wie die im Vierländer Damm abgestellten Wagen zeigen. An den Triebwagen ist noch die Verdunklungseinrichtung am Frontscheinwerfer gut zu erkennen. Ganz links ist ein sogenannter Verschiebewagen ohne Frontverkleidung zu erkennen, ein aus einem ehemaligen Personentriebwagen entstandener Arbeitswagen. Der Betriebshof Rothenburgsort verfügte damals mit V 27 und V 40 über zwei Verschiebewagen. Weil der V 40 als Kriegsverlust geführt wird, handelt sich bei dem abgebildeten Wagen vermutlich um V 27.

 

Nach dieser Bombennacht ruhte jeglicher Nahverkehr in diesem Stadtteil, auch nach Räumung der Straßen vom Trümmerschutt - denn es fehlte über Jahre ein Verkehrsbedürfnis, weil hier niemand mehr wohnte. Nach Möglichkeit wurden die noch intakten bzw. als noch wieder aufbaubar eingeschätzten Straßenbahnwagen in das Netz zurückgeführt, um den allgemein bestehenden Wagenmangel in Hamburg zu verringern. Das galt auch für einige in der Wagenhalle des U-Bahnbetriebshofes Rothenburgsort noch stehende U-Bahn-Wagen. Diese mussten auf Culemeyer-Straßenrollern von Rothenburgsort nach Barmbek zur dortigen Hauptwerkstatt überführt werden.

 

Erst 1947 nahm die HOCHBAHN die Straßenbahnlinie 23 in Betrieb, die zwischen Billhorner Röhrendamm und dem Endpunkt am ehemaligen Betriebshof Rothenburgsort pendelte. Die Ruinen des Betriebshofes nutzte zeitweise eine Spedition, heute ist das Gelände neu bebaut. Für den Betrieb auf der kurzen Linie genügte ein Triebwagen. Der U-Bahnbetrieb ruhte aber weiter, 1951 begann der Rückbau der Anlagen, weil die Strecke im Bereich Hammerbrook schwere Zerstörungen aufwies und für Jahrzehnte kein Verkehrsbedürfnis für eine U-Bahn mehr erwartet wurde, auch aufgrund der Erfahrungswerte in der Vorkriegszeit.

 

1955 begrüßten die in die wiederaufgebauten Häuser eingezogenen Rothenburgsorter mit großer Freude den Ersatz der Straßenbahnlinie 23 durch die neue Linie 12, die nun eine Direktverbindung von Rothenburgsort zur Innenstadt und bis nach Bahrenfeld mit modernen Straßenbahnzügen bot. Aber bereits 1959 erfolgte die Umstellung auf die Buslinie 52.

 

 Seit Dezember 2012 bedient der MetroBus 3 Rothenburgsort. Wer mehr über den Nahverkehr in Rothenburgsort und Umgebung erfahren will, dem sei das Heft 26 der Verkehrshistorischen Reihe des VVM empfohlen.

 

Die Bombenangriffe im Juli 1943 brachten nach amtlichen Aufzeichnungen 41.800 Personen den Tod, darunter auch Hochbahner, die die Betriebsanlagen zu schützen versuchten. Ein Schätzwert, denn die genaue Zahl der Opfer wird sich niemals mehr ermitteln lassen. Der letzte Bombenangriff auf Hamburg, der 213., geschah am 17.04.1945. Und die Bombenangriffe haben das Stadtbild Hamburgs nachhaltig verändert, viele geschlagene Lücken wurden erst in jüngster Zeit wieder geschlossen.

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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