Bild des Monats Dezember 2013

 

 

Schnee überall

 

In regelmäßigen Zeitabständen wird immer wieder an vom Wetter ausgelöste Katastrophen erinnert. Dass der Mensch die Natur zwar zerstören, sie aber nicht beherrschen kann, zeigt sich bei diesen Ereignissen immer wieder. Und dass sich im Zeichen des Klimawandels die Wetterextreme überall auf der Welt künftig häufen werden, steht für namhafte Wissenschaftler fest, die die Menschheit angesichts jüngst verfehlter Klimaziele als „auf dem Weg in die Katastrophe“ sehen. Ein weltweites Gegensteuern der Politik scheitert bis heute an gut aufgestellten Lobbyistengruppen der Industrie und Verbände, sowie gezielt eingesetzten Parteispenden. Auch erscheint das Problembewusstsein von weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht ausgeprägt genug. Denn auch Deutschland, von einzelnen Politikern in der Selbstdarstellung gerne als Musterschüler ausgewiesen, hat seinen CO2-Ausstoss in den letzten Jahren erhöht und nicht gesenkt.

 

Also erinnert man sich anlässlichvon Jahrestagen bestimmter Katastrophen. Der HOV möchte sich davon nicht ausnehmen. Auch wenn die letzten Winter in Hamburg schneereich und kalt waren, zählt doch der Winter 1978/79, der die Norddeutschen in West und Ost zur Jahreswende kalt erwischte, zu denjenigen, die einer hoch technisierten Gesellschaft ihre Grenzen aufzeigte. Während die Norddeutschen Weihnachten 1978 noch bei milden Temperaturen feierten, schlug danach die Wetterlage schnell um. Zwischen einem Tiefdruckgebiet über dem Rheinland und einem stabilen Hochdruckgebiet über Skandinavien entstand über der südlichen Ostsee eine stark ausgeprägte Luftmassengrenze. Hier prallte sehr kalte Luft aus Nordost auf sehr milde Luftschichten vom Atlantik. Am 28.12.1978 begann es im nördlichen Schleswig-Holstein zu schneien, weiter südlich regnete es noch heftig. Das Schneefallgebiet dehnte sich in der Nacht südwestlich weiter aus und erreichte dann auch den Hamburger Raum. Durch die Luftmassengegensätze frischte der Wind bis zur Sturmstärke auf. Einhergehend mit einem Temperatursturz verursachte der Wind bei anhaltendem Schneefall starke Verwehungen. Die in Hamburg-Fuhlsbüttel gemessene Schneehöhe am 29.12.1978 betrug zunächst 5 cm, am 31.12.1978 aber bereits 40 cm. Schneeverwehungen erhöhten diese Werte massiv und führten damit zu extremen Verkehrsbehinderungen. Die Silvesternacht verbrachten die Hamburger bei klarem Himmel und Kälte von – 21Grad C bei abflauendem Schneesturm.

 

Auch einer norddeutschen Großstadt wie Hamburg bereiteten diese Schneemassen natürlich ernsthafte Probleme, aber sie waren gering zu denen im Umland und vor allen denen in den Bezirken der damaligen DDR. Überlandstromleitungen vereisten und rissen, so dass es vor allem im ländlichen Raum zu Stromausfällen kam. Und ohne Strom geht in einer  hochentwickelten Gesellschaft nicht mehr viel. Mit Stromausfällen hatte Hamburg nicht zu kämpfen, dafür kam die Stadtreinigung mit der Räumung der Straßen kaum nach. Man musste sich auf die Hauptstraßen konzentrieren. Das erlaubte, dass der Busverkehr innerhalb Hamburgs nicht gänzlich eingestellt werden musste, sondern, wenn auch mit Behinderungen, aufrechterhalten werden konnte. Auch die U-Bahn blieb in Betrieb und konnte ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. In den  nächtlichen Betriebspausen verkehrten Leerzüge, um die Gleise und Weichen von Schnee und Eis frei zu halten. Weichenheizungen verhinderten weitgehend ein Vereisen von Weichen. Auch standen zwei Dieselloks mit einem Räumschild für Schnee im Einsatz. Wie damals bei Schnee und Kälte üblich, verzichtete man auf das betriebliche Schwächen und Verstärken der Züge am Bahnsteig. Die Züge verkehrten durchgängig mit ihrer maximalen Wagenlänge. Sowohl im Bus- wie im U-Bahn-Verkehr war die Aufrechterhaltung des Betriebs nur durch das große Engagement der Mitarbeiter möglich. Das galt selbstverständlich auch für die Mitarbeiter der anderen Verkehrsunternehmen im HVV.

 

Zu einem Problemfall entwickelte sich schnell die Hamburger S-Bahn der Deutschen Bundesbahn. Der damals geläufige Werbespruch der Deutschen Bundesbahn „Alle sprechen vom Wetter, wir nicht“ verdrehte sich damals in seiner Bedeutung in sein Gegenteil. Flugschnee gelangte über die Lüftergitter in die Fahrzeugmotoren der Gleichstromzüge und führte zu Kurzschlüssen. Aber insbesondere die Besonderheit der Hamburger S-Bahn, den Strom an der dritten Schiene seitlich abzunehmen, führte durch den Schnee dazu, dass die S-Bahnzüge nicht mehr verlässlich ihre Stromabnehmer an der Stromschiene führen konnten. Auch standen außer Schaufeln keine weiteren Räummittel zur Verfügung. Der Betrieb konnte deswegen nur noch unregelmäßig durchgeführt werden. Für die bei bitterer Kälte wartenden Fahrgäste kein Vergnügen. Ab dem 03.01.1979 ersetzten auf dem Streckenabschnitt Ohlsdorf – Poppenbüttel sogar Schienenbusse (VT 798) und andere Dieseltraktionen die elektrischen S-Bahnzüge. Die Behinderungen im S-Bahn-Verkehr dauerten danach noch knapp eine Woche an, obwohl ansonsten der Verkehr im HVV-Gebiet wieder wie gewohnt lief. Am 08.01.1979 war die große Kälte kurzzeitig gewichen. Aber die folgenden Wochen blieben frostig und Hamburg lag weiter unter einer geschlossenen Schneedecke.

    

Niemand ahnte, dass bereits gut fünf Wochen später eine vergleichbare Wetterlage eintrat. Am 14.02.1979 erreichte Norddeutschland wieder eine ausgeprägte Schneefront mit starkem Wind. Auf die noch vorhandene Schneehöhe von rund 26 cm (Hamburg-Fuhlsbüttel) kamen rasch einige Zentimeter hinzu. Der Höhepunkt war am 18.02.1979 mit 67 cm Schneehöhe erreicht, wieder Messstation Hamburg-Fuhlsbüttel. Auch verursachte der starke Wind damals wieder erhebliche Schneeverwehungen. Der U-Bahn- und Busverkehr konnte weitgehend störungsfrei durchgeführt werden, wenn auch mit Einschränkungen. Die überwiegend eingleisige Außenstrecke Volksdorf – Großhansdorf mit ihren Ausweichstellen erlaubte aber für einige Tage nur einen Pendelbetrieb mit einem Neunwagenzug DT3. In Großhansdorf stand ein stark vereister Achtwagenzug DT 2 als Reservezug bereit. Gelegentlich kam es auf Tunnelstrecken zu kurzzeitigen Betriebsunterbrechungen, weil bei der Schneeräumung Schnee auf die U-Bahn-Notausgänge geschoben worden war. Dort entstehendes Tauwasser drang in den Tunnel ein und versuchte Kurzschlüsse an den Anlagen. Häufig gelang es dann kurzfristig, einen Notverkehr mit Bussen einzurichten. Am Stadtrand und im Umland machten die Schneemassen einen geordneten Busbetrieb z.T. aber unmöglich.

  

Die S-Bahn erwies sich nun erneut als Sorgenkind. Nach einer Betriebseinstellung gelang es der Bundesbahn aber, eine Reihe von Dieselloks der Baureihen 211, 212, 218 und 291 zur Verfügung zu stellen, die vor die elektrischen S-Bahnzüge gespannt einen unregelmäßigen Betrieb auf einem Teilnetz sicherstellen konnten. Auf den Strecken Ohlsdorf – Poppenbüttel und Berliner Tor – Aumühle verkehrten nun Dieseltriebzüge (VT 612) bzw. lokbespannte Personenzüge. Zwischen Altona und Blankenese kamen Busse diverser Unternehmen als Verstärker zum Einsatz, darunter auch Busse der Bundeswehr. Übrigens wäre damals ohne die Unterstützung durch die Bundeswehr manche in Norddeutschland aufgetretene Notfallsituation nicht so glimpflich verlaufen.

 

Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an die bei der S-Bahn aufgetretenen betrieblichen Besonderheiten. Am 16.02.1979 erreicht mit Jasper 79 (DB O 303, Baujahr 1975) ein Reisebus im S-Bahn-Ersatzverkehr den Bereich des Bahnhof Altona. Zwei Bilder vom Bahnhof Blankenese zeigen die gegenüber der Jahreswende im Februar 1979 verschärfte Betriebslage. Am 10.01.1979 steht ein S-Bahnzug mit 472 522 und 471477 am Bahnhof Blankenese. Links die heute vom Wohnungsbau genutzten Anlagen des Güterbahnhofs. Das zweite Foto vom 15.02.1979 zeigt einen lokbespannten S-Bahnzug, bestehend aus 291 038, 471 432 und 471 466, ebenfalls im Bahnhof Blankenese, Gleis 3. Eine Schneewehe macht die Zufahrt zur anschließenden Abstellanlage der S-Bahn unmöglich.

 

 

 

 

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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