Bild des Monats Februar 2014

 

 

   

Smog-Alarm in Hamburg

 

Luftverschmutzung ist seit Jahrzehnten weltweit ein Problem. Der aus dem englischen abgeleitete Begriff „Smog“ (Smoke (Rauch) und Fog (Nebel)) steht für die Atemwege reizende Wetterlagen mit schlechter, schadstoffhaltiger Luft, die sogar tödlich sein kann. Eine Vielzahl von Schadstoffen zeichnet dafür verantwortlich, die alle das Verbrennen fossiler Brennstoffe als Quelle haben. Industrie, Heizungen und der Verkehr sind hierfür die Verursacher. Zum Verkehr zählen nicht nur die Kraftfahrzeuge, sondern auch die in Hamburg so gern gesehenen Kreuzfahrtschiffe, Luftverschmutzer erster Güte.

 

Die Zusammensetzung der Schadstoffe hat sich zumindest in Europa im Laufe der Jahrzehnte verändert. Geändertes Umweltbewusstsein führte zum Einbau von Filtertechnik in der Industrie und  den Kraftwerken. Und der Schwefelgehalt in den Brennstoffen wurde reduziert. Das früher in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit gefährliche Reaktionen hervorrufende Schwefeldioxid (SO2) konnte in der Luft stark vermindert werden. Die Schifffahrt verwendet aber oft noch das günstige, aber stark schwefelhaltige Schweröl. Heute steht der vom Pkw- und Lkw-Verkehr erzeugte Dieselruß und Feinstaub im Fokus der Umweltbehörden, deren Konzentration in der Luft ständig überwacht werden muss.  Auch das seit einigen Jahren in Mode gekommene Verbrennen von Holz in Zusatzheizungen verschlechtert an manchen Tagen die Luft in Hamburg doch erheblich.

     

In Politik und Gesellschaft erwecktes Umweltbewusstsein führte in den achtziger Jahren dazu, dass für die Luftschadstoffe Grenzwerte auf dem Verordnungswege in den Bundesländern  der alten Bundesrepublik festgelegt wurden. Nicht einheitlich und zunächst wenig koordiniert, so dass die Regelungen republikweit eher einem Flickenteppich glichen. Bei Überschreiten der Grenzwerte durften Fahrverbote angeordnet werden und Industriebetriebe mit hohem Schadstoffausstoß mussten ihre Produktion drosseln oder sogar stilllegen. In der damaligen DDR soll es ähnliche Notfallpläne gegeben haben, die aber nie zur Anwendung kamen, weil immer der Industrie und der Energieerzeugung Vorrang eingeräumt wurde. Mit ein Grund zur Gründung der Umweltbewegung in der DDR, die 1989 ihren Teil zur friedlichen Revolution beitrug.

 

Die Hamburger Smog-Verordnung sah für einen Smog-Alarm der Stufe I folgende Grenzwerte vor: 1,2 Milligramm SO2 oder 1,0 Milligramm Stickstoffdioxid (NO2) oder 45 Milligramm Kohlenmonoxid (CO). Für die Messungen standen acht Messstationen in der City zur Verfügung. An mindestens zwei benachbarten Messstationen musste einer dieser Werte über mindestens drei Stunden erreicht werden. Die Alarmstufe I erlaubte ein Fahrverbot innerhalb einer festgelegten Zone im Stadtgebiet. Diese umfasste den Bezirk Mitte (ohne die Insel Neuwerk) und angrenzende Stadtbezirke, im Norden ungefähr in Höhe des Ring 2 und im Süden in etwa das Gebiet zwischen Norder- und Süderelbe. Die durch Hamburg führenden Bundesautobahnen betraf das Fahrverbot nicht. Noch heute finden sich an Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet Schranken, z.B. an der Kollaustraße, in Höhe Nedderfeld. Zur „Aufrechterhaltung des Produktionsablaufs“ konnten Sondergenehmigungen an Autofahrer erteilt werden. Weiter sah die Alarmstufe I festgelegte Einschränkungen bei bestimmten Betrieben vor.

 

1987 erlebte Hamburg seinen ersten und bisher einzigen Smog-Alarm in der Geschichte. Wir wollen mit unserem Bild des Monats dieses Ereignis aus der Vergessenheit holen. Aber  vielleicht erinnern sich ältere Hamburger noch an diese ersten Tage im Februar 1987 und die „besondere Luft“. In Hamburg herrschte Winter. Und es stellte sich die gefürchtete Inversionswetterlage ein, als sich wärmere Luft über die kältere Luft in Bodennähe schob. Hinzukam, dass der sonst in Hamburg manche Verschmutzungssünde „forttreibende“ Westwind fehlte. Stattdessen kam die Luftströmung aus Südost. Zu der in Hamburg hausgemachten Luftverschmutzung aus Rauch und Abgasen kam noch die stark schwefelhaltige Luft aus dem mitteldeutschen Industriegebiet Halle - Leipzig hinzu. Die in der DDR verbreitete Braunkohle war sehr schwefelhaltig, die Kraftwerke verfügten dort meist über keine oder nur veraltete Filtertechnik. In Hamburg roch deswegen die Luft sehr stark nach Kohle, so als ob ganz Hamburg nur noch mit Kohle heizen würde. Zwar gab es in Hamburg auch noch Wohnungen mit Kohleheizung, hier kam aber meist Steinkohle zum Einsatz, die geringere Schadstoffwerte aufwies. In West-Berlin bestand seit dem 01.02.1987 Smog-Alarm der Stufe I, in der DDR dagegen nicht. Am Montag, dem 02.02.1987 stiegen im Laufe des Tages die Schadstoffwerte stark an, so dass die Umweltbehörde Smog-Voralarm verkündete. In der Nacht zum Dienstag, den03.02.1987 blieben die Werte unverändert hoch, so dass um 4:30 Uhr die Umweltbehörde die Alarmstufe I ausrief. Die Hamburger Verkehrsunternehmen hatten sich darauf eingestellt, so dass zu Beginn der ersten Hauptverkehrszeit 100 zusätzliche Busse durch HOCHBAHN, PVG und VHH eingesetzt werden konnten. Ein kleines logistisches Meisterwerk, weil das ja auch hieß, über 100 zusätzliche Mitarbeiter kurzfristig einzuplanen. Im Schnellbahnbereich verstärkten 90 Wagen die Züge. Rund 620 Polizisten nahmen am Rand und innerhalb des Sperrgebietes Kontrollen vor. So mancher Autofahrer musste deswegen sein Auto am Fahrbahnrand stehen lassen, weil die Polizei die Weiterfahrt untersagte. Und Autofahrer überrannten die Bezirksämter, um mit teils abenteuerlichen Begründungen an die begehrten Ausnahmegenehmigungen zu gelangen.

 

An diesem dunstigen Dienstagmorgen hielt kurz vor halbneun Uhr der HOCHBAHN-Bus 6102 (DB O 305, Baujahr 1980) auf der Hoheluftchaussee vor der Kreuzung Lehmweg, Bismarckstraße. Üblicherweise waren auf der stark belasteten Buslinie 102 (Schnelsen - Innenstadt) Gelenkbusse eingesetzt. Bei diesem Schnellbus handelte es sich um einen der zahlreichen an diesem Morgen im Stadtgebiet eingesetzten Verstärker. Obwohl an diesem Tag die Busse häufig überfüllt waren, ist dieser Verstärker nur mäßig besetzt. Das sollte sich aber an der nächsten Haltestelle, U Hoheluftbrücke, ändern. Obwohl Rush-Hour, ist die innerhalb des Sperrgebiets verlaufende Hoheluftchaussee nahezu ohne Autos. Ob der Golffahrer eine Ausnahmegenehmigung hatte? Übrigens kamen die Busse an diesem Tag gut durch die Stadt, trotz eines Mehr an Fahrgästen, fehlte doch weitgehend der sonst die Weiterfahrt behindernde Individualverkehr.

 

 

 

 

Auf der Haltestelle Kellinghusenstraße herrschte am 03.02.1987 dichtes Gedränge vor einem Zug der Linie U3 mit dem DT2 9315 an der Spitze. Für viele Autofahrer, die an diesem Tag mit U- und S-Bahn unterwegs waren, stellte der Erwerb einer gültigen Fahrkarte am Automaten eine große Hürde dar. Häufig bildeten sich lange Schlangen vor den Automaten. Die HOCHBAHN reagierte darauf, indem Standschaffner aus einem umgehängten TIM-Drucker Fahrkarten verkauften, hier am Nachmittag in der Schalterhalle Bergstraße der Haltestelle Jungfernstieg.

 

Gegen Mittag des 03.02.1987 änderte sich die Windrichtung zunächst auf Süd. Der Deutsche Wetterdienst sagte weitere Veränderungen voraus, die schließlich zu einer Entschärfung der Smoglage führten. Um 12:45 Uhr wurde das Fahrverbot aufgehoben, die Alarmstufe blieb noch bis 1 Uhr nachts des Folgetags bestehen.

  

Dieser erste und bisher einzige Smogalarm in Hamburg brachte dem HVV 200.000 bis 220.000 zusätzliche Fahrgäste. Und den Taxifahrern bescherte dieser Ausnahmezustand „Fuhre um Fuhre“, wie zu Silvester. Die von den Bundesländern erlassenen Smog-Verordnungen sind mittlerweile aufgehoben und durch die 39. Bundesimmissionsschutzverordnung ersetzt. Auch müssen heute die durch die EU vorgeschriebenen Grenzwerte bei der Luftverschmutzung beachtet werden. Werte, die Hamburg - die ehemalige Umwelthauptstadt Europas - nicht immer einhält!

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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