Bild des Monats März
2014
Sportplatz als Ziel
Bei
Großveranstaltungen ist die Leistungsfähigkeit des ÖPNV regelmäßig gefordert.
Um die Besucher an- und abzutransportieren, werden die den Veranstaltungsort
berührenden Linien verstärkt. Über viele Jahrzehnte schilderten die
Oberflächenverkehrsmittel der HOCHBAHN „Sportplatz“ als Ziel, wenn ein
Fußballspiel in Hamburg mit vielen Zuschauern stattfand. Heute ist diese
Zielbeschilderung nicht mehr anzutreffen, stattdessen findet das Wort „Shuttle“
Verwendung. Auch hat sich die Qualität des Sonderverkehrs zu
Bundesliga-Fußballspielen gegenüber früher gewandelt, u.a. führen die Fahrten
unmittelbar bis zum Veranstaltungsort. Mit unserem Bild des Monats wollen wir
einen kurzen Abriss des „Sportplatz“-Verkehrs in Hamburg geben. An der Haltestelle Stadionstraße in der
Luruper Chaussee warten am 05.09.1981
die beiden HHA-Verstärkungsbusse 1617
und 1625 (DB O 305, Baujahr 1975)
vom Betriebshof Schützenhof (Altona), auf den Schienen der hier bis 1973
verkehrenden Straßenbahnlinie 1 stehend, auf das Spielende des HSV gegen den 1.
FC Köln (Ergebnis 3:1). Die Busse haben traditionell „Sportplatz“ in grüner
Schrift (bei Fahrtzielbändern mit Negativbeschriftung: weiße Schrift auf grünem
Grund) geschildert.
Heute
wird der Fußballsport in Hamburg meist mit den beiden großen Vereinen in der
ersten und zweiten Bundesliga, dem HSV und dem FC St.Pauli, in Verbindung
gebracht. Aber Hamburg hat noch eine Reihe weiterer Fußballvereine, deren ruhmreiche
Zeiten aber schon lange zurück liegen. Die über das Stadtgebiet verteilten
Fußballplätze verfügten früher meist über gute Verkehrsanbindungen, führten
doch meist Straßenbahnlinien in der Nähe vorbei. Doch boten diese Sportplätze
nur vergleichsweise wenigen Zuschauern Platz, die einen umfangreichen
Verstärkungsverkehr nicht erforderlich machten.
Das
Millerntorstadion des FC St.Pauli, eine der beiden großen Sportstätten, liegt
in der Nähe der beiden U-Bahn-Haltestellen Feldstraße und St. Pauli und ist so
bequem zu erreichen. Auch berührten früher mehrere Straßenbahnlinien den
Veranstaltungsort, heute sind es Buslinien. Die HOCHBAHN verstärkt bei Bedarf
hier den U-Bahn-Verkehr, ohne diese Sportverstärker gesondert zu kennzeichnen.
Der
andere Traditionsverein, der HSV, führte über Jahrzehnte seine Spiele im
Stadion Rotherbaum an der Rothenbaumchausse zwischen Hallerstraße und Turmweg
aus. Heute ist dieser ehemalige Austragungsort hochwertiger Fußballspiele u.a.
mit dem „Mediencentrum Hamburg“ neu bebaut. Seit 1929 sorgte die U-Bahn mit der
„KellJung-Linie“ und der Haltestelle Hallerstraße für eine sehr gute
Verkehrsanbindung, neben den Straßenbahnlinien, die diesen Bereich berührten.
Das große Einzugsgebiet des HSV und das Fassungsvermögen von annähernd 27.000
Zuschauern (die überlieferten Angaben variieren hier) machte
Verstärkungsfahrten der Straßenbahn notwendig, die aus verschiedenen
Stadtteilen zum Rotherbaum verkehrten, traditionell mit „Sportplatz“
beschildert. Mit Gründung der (1.) Fußball-Bundesliga 1963 untersagte der
Deutsche Fußballbund dem HSV die Austragung von Bundesligaspielen an diesem
Ort. Der HSV musste daher in den Volkspark nach Bahrenfeld ausweichen. Dort gab
es seit 1925 das durch die Stadt Altona errichtete „Altonaer Stadion“ mit
zunächst 40.000 Plätzen. Nach den Zerstörungen während des II. Weltkriegs
wieder aufgebaut und erweitert, bot das Stadion ab 1953 70.000 Zuschauern
Platz. Später verringerte sich die Kapazität des Volksparkstadions aufgrund
baulicher Veränderungen, blieb aber im Vergleich zu anderen Stadien in der
Republik weiter hoch. Der HSV hatte dort seit 1928 immer mal wieder Endspiele
um die Deutsche Meisterschaft ausgetragen, so dass dieser Veranstaltungsort für
die Fußballfans nicht neu war.
Der
Wegzug vom Rotherbaum führte 1963 zur Stilllegung einer besonderen
Gleisverbindung zwischen Mittelweg und Rothenbaumchaussee am Dammtor bei der
Großen Moorweide („HSV-Gleis“). Auch stand seit dem 26.03.1963 dem Betrieb eine
aus allen Richtungen anzufahrende Schleife auf der Kleinen Moorweide zur
Verfügung.
Der „neue“ Austragungsort am Volkspark verfügte
damals über eine Schienenanbindung auf eigenem Gleiskörper von der Luruper
Chaussee über die Stadionstraße bis zum Hellgrund-/Luftbadeweg, in
unmittelbarer Nähe zum Stadion. Diese Straßenbahnstrecke wurde damals von
vorausschauend denkenden Verantwortlichen der Stadt Altona geschaffen und hätte
heute, nach entsprechender Ertüchtigung, die seit Jahrzehnten geführte
Debatte über eine gute Schienenanbindung
des Fußballstadions überflüssig gemacht, doch Hamburg hat seine ehemals
leistungsfähige Straßenbahn stillgelegt.
Obwohl der Linienverkehr über die Stadionstraße schon 1959 mit der Stilllegung der Linie 12 (Volkspark – Rothenburgsort), heute MetroBus 3, endete, blieb die Strecke ab Stadionstraße bis in den Volkspark als Betriebsstrecke in der Nutzung durch die Straßenbahn. Bis zur endgültigen Stilllegung des Abschnitts am 17.10.1967 pendelte hier auf dem straßenseitigen Gleis ein V2P-Triebwagen für „Schwerbeschädigte“, die zum Fußballspiel wollten. Am 07.10.1967 wartet der V2P 2964 in der Stadionstraße, Ecke Luruper Chaussee auf neue Fahrgäste. An diesem Tag fand aber kein HSV-Spiel statt, sondern die EM-Qualifikation Deutschland – Jugoslawien (3:1). Für den vom Betriebshof Angerstraße gestellten Pendelwagen war es einer seiner letzten Einsätze. Am 15.12.1967 wurde er verschrottet.
Die
gesunden Fußballfans mussten ab der Haltestelle Stadionstraße an der Luruper
Chaussee aus den Sonder-Straßenbahnen bzw. –Bussen aussteigen, um den letzten
Rest von rund 800 m zu Fuß zurücklegen, mit der Möglichkeit, auf das eine oder
andere Bier in eine der „Trinkhallen“ einzukehren. Dieser Zustand blieb in den
nächsten Jahrzehnten so bestehen. Ein Pendelbus für Schwerbeschädigte ersetzte
hier die Straßenbahn. Die Nachfrage blieb gering. Am 21.06.1988 fand im Volksparkstadion das Europameisterschaftsspiel
Deutschland – Niederlande (1:2) statt. Auch hier gab es ein den HSV-Spielen
entsprechendes Angebot. Nach Spielende wartet der HHA-Bus 2246 (DB O 305, Baujahr 1981) als Pendelbus für
Schwerbeschädigte auf seine Ausfahrt aus der Stadionstraße, um leer zum Betriebshof Schützenhof
auszusetzen.
Mit
der Stilllegung der Straßenbahnlinie 1 nach Lurup am 02.06.1973, einem
Sonnabend mit HSV-Spiel und deswegen am Nachmittag mit Beiwagen verstärkten
Straßenbahnzügen unterwegs, hielt keine Straßenbahn mehr an der Haltestelle
Stadionstraße. Die Nachfolgebuslinie 188 (heute MetroBus 2) übernahm den
Zubringerverkehr, parallel zu den Verstärkungsbussen vom S-Bahnhof Othmarschen.
Diese verkehrten als Linie (V)286 (früher V86 und V84) und wie die Busse der
anderen Verstärkungslinie meist mit „Sportplatz“ beschildert. Mit Einführung
der Matrix-Anzeigen 1992 konnte auch ein stilisierter Fußball anstelle der
Liniennummer gezeigt werden. Die Kehre Stadionstraße neben den Kleingärten
wurde für die Busse mit der Zeit befestigt und diente während des Fußballspiels
als Abstellfläche der Verstärkungsbusse, neben der Aufstellung in der Luruper
Chaussee und auf dem ehemaligen Straßenbahngleiskörper. Nach dem Spielende gab
es Verbindungen zum S-Bahnhof Othmarschen, aber auch als Linie 150 nach
Finkenwerder durch den neuen Elbtunnel. Der beschriebene Verstärkungsverkehr
blieb zunächst auch nach dem Übergang einzelner Linienkonzessionen von der
HOCHBAHN auf die PVG 1996/97 erhalten. Verantwortlich zeichnete nun aber die
PVG. Als Schwerbehinderten-Shuttle war zeitweise auch ein
rollstuhltauglicher Kleinbus im Einsatz.Wegen der geringen Nachfrage entfiel
später aber dieser Shuttle-Verkehr.
Neben
der Anbindung aus dem Raum Altona / Othmarschen gab es auch aus Richtung
Eimsbüttel und Stellingen eine Anbindung des Volksparkstadions, allerdings über
Jahrzehnte mit einem Fußweg von ca. 20 Minuten für die Fußballfans verbunden.
Im Oberflächenverkehr bestand seit dem 05.07.1953 eine Straßenbahnverbindung
von der U-Bahnhaltestelle Hellkamp (1964
aufgehoben) über Langenfelde zu einer in die Volksparkstraße führenden
(Neubau-)Stichstrecke, die in Höhe der Randstraße endete. Die dort zum Einsatz
kommenden Züge schilderten als Linie „Punkt“ und „Über Langenfelde zum
Stadion“, aber auch „Sportplatz“. Mit Stilllegung der Straßenbahn nach Eidelstedt
am 29.10.1961 übernahmen Busse diese Verbindung. Mit Verlängerung der U-Bahn
nach Hagenbecks Tierpark starteten die Verstärkungsbusse von hier aus nach
Stellingen. Endpunkt war aber hier die auch heute noch vom Linienverkehr
unmittelbar vor dem Haltepunkt Stellingen benutzte Kehre. Die Busse schilderten
meist „190 (90) Sportplatz“, obwohl S Stellingen regulärer Endpunkt der von
Eppendorf kommenden Linie 190 war. Nach Spielende fuhren von hier aus
Verstärkungsbusse zur U-Bahn-Haltestelle Hagenbecks Tierpark und einzelne
Fahrten auch weiter in Richtung Eppendorf. Für die Stadionbesucher schloss sich
nach dem Ausstieg nun ein weiterer, rund 20-minütiger Fußweg durch einen mäßig
erleuchteten Tunnel unterhalb der Anlagen des Rangierbahnhofs Langenfelde und durch
den Volkspark an. Bei Wind und Wetter und oft in Begleitung mit
„alkoholisierten Zeitgenossen“ wahrlich kein Vergnügen und kein Aushängeschild
für eine moderne Großstadt.
Eine
entscheidende Verbesserung stellte die auf Kosten des HSV am 11.08.1990 eingerichtete
Linie 380 dar. Zwar musste der erwähnte Tunnel noch weiter durchquert werden,
aber an dessen Ende warteten dann schon in der Lederstraße Sonderbusse, um die
Besucher über Ottensener Straße, Schnackenburgs- und Sylvesterallee in kurzer
Fahrt in unmittelbare Nähe des Volksparkstadions zu bringen. Polizei und
Aufsichtspersonal der HOCHBAHN sorgten für einen reibungslosen Betriebsablauf.
Die HOCHBAHN setzte dort zunächst Gelenkbusse ein, Schäden durch Vandalismus
führte zum Ersatz durch 12m-Busse, meist Stadtbusse, aber auch Schnellbusse.
Für den Verstärkungsverkehr müssen heute alle nördlich der Elbe liegenden
Betriebshöfe der HOCHBAHN Busse und Personal stellen. Die Zubringerfahrten von
Hagenbecks Tierpark nach S Stellingen blieben. Die Busse hatten im Laufe der
nächsten Jahre verschiedene Endpunkte am Stadion, auch bedingt durch den Neubau
des Volksparkstadions von 1998 bis 2000. Zur FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006
wurden der Haltepunkt Stellingen und der benachbarte Bahnhof Eidelstedt (zeitweilig
Startpunkt der Linie 380) 2005/06 modernisiert. Auch die Bushaltestelle in der
Lederstraße erhielt eine Überdachung und moderne Abfertigungsbereiche. Die
Beschilderung wechselte von Anfangs „Sportplatz“ über „HSV-Shuttle“ zu
„Shuttle-Bus Arenen“. Damit kann diese Linie auch bei Veranstaltungen in den ab
2001 in unmittelbarer Nähe zum Volksparkstadion entstandenen anderen „Arenen“
genutzt werden.
Aber
auch auf der Bahrenfelder Seite gab es Veränderungen. Der Haltestellenbereich
Statthalterplatz am Bahnhof Othmarschen wurde 2005 für 500.000 € umgestaltet,
einschließlich eines Aborts, zur Beruhigung der Anwohner. Die
Umsteigebeziehungen zwischen S-Bahn und Bus verbesserten sich dadurch
nachhaltig. Die Anbindung des Volksparkstadions übernahm die PVG-Linie 386 über
August-Kirch-Straße und Max-Schmeling-Straße zum Endpunkt Luftbadeweg. Die
Sonderwagen zur Stadionstraße entfielen. Heute verkehren auf beiden Linien
problemlos Gelenkbusse.
1965 löste die S-Bahn die AKN zwischen Langenfelde
und Eidelstedt ab und bedient seitdem den Haltepunkt Stellingen. Die S-Bahn
verstärkt bei Fußballspielen und bei anderen Großveranstaltungen im Volkspark
regelmäßig den Verkehr auf dem Pinneberger Ast und trägt damit heute die
Hauptlast des Zubringerverkehrs zum Stadion. Bei der Anfahrt schildern diese
Züge meist „Stellingen“, obwohl dieser Haltepunkt keine Abstellmöglichkeiten
bietet. Die Verstärkungszüge werden in den Abstellanlagen des Bf. Elbgaustraße
hinterstellt und nach Veranstaltungsende als Leerzüge nach Stellingen geführt,
oft in einer sehr dichten Fahrtenfolge und als Fahrten auf Sicht. Die über
hundertjährige Geschichte der Hamburger S-Bahn ist – wie die der U-Bahn -
leider nicht frei von Unfällen. Am Abend des 23.04.1980 kam es bei einer
solchen Verkehrssituation zu einem schweren Auffahrunfall im Haltepunkt
Stellingen. Der HSV hatte sein Europapokalspiel der Landesmeister gegen Real
Madrid mit 5:1 gewonnen, als das Unglück geschah. Ein von der Elbgaustraße
kommender Leerzug fuhr als Vollzug mit den Einheiten (471) 025 und 001 auf
einen im Haltepunkt zur Fahrgastaufnahme stehenden S-Bahnzug mit einer
470-Einheit am Zugende. Es entstand ein großer Sachschaden mit 24 Verletzten.
Am auffahrenden Zug wurden drei Triebköpfe zerstört. Auch die Front des
stehenden Zuges erlitt schwere Schäden. Die
Schäden an den 471er-Triebköpfen führten zu deren Ausmusterung. Mit dem
Wagen 471 101 traf es auch den ältesten Hamburger S-Bahnzug, Baujahr 1939. Die
beiden verbliebenen Wagen 871 001 und 471 401 des Triebzugs 001 erhielten den
(nach einem Brand des Mittelwagens übrig gebliebenen) 471 441 (Baujahr 1942)
neu beigestellt. Seitdem wies der Zug 001 zwei unterschiedliche 2.Klasse-Wagen
auf. Während der 471 401 noch über Holzlattensitze verfügte, waren die Sitze im
471 101 (II) gepolstert. Der VVM erhält heute als Leihgabe den 471 401 in
seinem Museum in Aumühle und damit den letzten verbliebenden Triebkopf des
ersten Gleichstromstrom-S-Bahnzugs Hamburgs. Der zunächst ebenfalls aufbewahrte
1.Klasse-Wagen des ersten Zuges wurde mittlerweile auf Veranlassung von
späteren Entscheidungsträgern bei der S-Bahn verschrottet.