Als in Eimsbüttel keine U-Bahn mehr fuhr
Durch den Stadtteil Eimsbüttel fährt seit nunmehr 100
Jahren unterirdisch eine U-Bahn. Das von den beiden Elektrizitätsgesellschaften
AEG und Siemens in Hamburg ab 1906 errichtete U-Bahn-Grundnetz für Hamburg sah
neben der 1912 eröffneten Ringstrecke die Inbetriebnahme von drei Zweiglinien
vor. Neben den Strecken von der Kellinghusenstraße nach Ohlsdorf und vom
Hauptbahnhof nach Rothenburgsort sollte eine Stichstrecke von der Haltestelle
Schlump zum Eimsbütteler Marktplatz in unmittelbare Nähe zur Grenze der
preußischen Stadt Altona führen. An Haltestellen waren zunächst CHRISTUSKIRCHE
und EIMSBÜTTELER MARKTPLATZ vorgesehen. Um den nördlichen Teil Eimsbüttels mit
seinen neuen Wohnungsbauten zu erschließen, wurden die Pläne geändert. Auf
Rechnung und in Regie Hamburgs sollte die Strecke ab dem Eimsbütteler
Marktplatz unterirdisch entlang dem Heußweg und dem Stellinger Weg bis in Höhe
Hellkamp geführt werden. Auf Wunsch der Bürgerschaft legte der Senat im Mai
1912 fest, dass die Baugesellschaft eine Haltestelle EMILIENSTRASSE bauen
sollte, die Haltestelle am Eimsbütteler Marktplatz entfiel. Eine spätere
Verlängerung in Richtung Langenfelde – Stellingen oder Hagenbecks Tierpark
wurde offen gehalten.
Die gesamte
Strecke folgt bereits vorhandenen Straßenzügen mit zum Teil sehr engen Kurven,
auch beträgt der durchschnittliche Haltestellenabstand nur rund 600 m, so dass
die U-Bahnzüge dort bis heute ihre Höchstgeschwindigkeit nicht ausfahren
können. Der verlängerte Streckenabschnitt wies als weitere Haltestellen
OSTERSTRASSE - in unmittelbarer Nähe des Straßenbahnbetriebshofs Heußweg - und
HELLKAMP auf. Die insgesamt nur rund 2,5 Kilometer lange Zweiglinie wurde
zwischen dem 01.06.1913 und dem 23.05.1914 abschnittsweise in Betrieb genommen.
Obwohl
unterschiedliche Architekten für die Haltestellen verantwortlich zeichneten,
wiesen alle Haltestellen der Eimsbütteler Zweiglinie einen Mittelbahnsteig in
geringer Tiefenlage mit einer Schalterhalle auf Bahnsteigebene auf. Der Zugang
war nur über eine auf einer Verkehrsinsel angelegte Treppe möglich. Im
Gegensatz zu den Haltestellen der Ringstrecke fiel die Gestaltung dieser
Tunnelhaltestellen weniger repräsentativ aus. Das galt auch für die beiden
anderen Zweiglinien, wobei die 1915 eröffnete Zweiglinie in den
Arbeiterstadtteil Rothenburgsort am wenigsten über künstlerische
Schmuckelemente verfügte.
Die
Haltestellen CHRISTUSKIRCHE und EMILIENSTRASSE erfuhren bereits 1954 bzw. 1958/59
grundlegende Modernisierungen. Während bei der Haltestelle Christuskirche der
Zugang in der Fahrbahnmitte auf einer Verkehrsinsel verblieb, nun aber mit
einer gut beleuchteten Schalterhalle auf der Straßenebene, erhielt die andere
Haltestelle einen neuen Zugang vom Bürgersteig aus mit einer oberirdischen
Schalterhalle und der Autoverkehr auf der Fruchtallee freie Fahrt. Die beiden
anderen U-Bahn-Haltestellen auf Eimsbütteler Gebiet blieben zunächst
unverändert. Im Laufe der ersten fünf Jahrzehnte änderte sich aber das äußere
Erscheinungsbild der Haltestellen. Anhand von Bildmaterial lässt sich das für
die Haltestelle OSTERSTRASSE belegen. Wiesen in der Anfangszeit mehr oder
weniger aufwendig gestaltete Kandelaber auf den Zugang zu der Haltestelle hin,
überspannte Ende der 1920er der Schriftzug „HOCHBAHN“ den Eingangsbereich.
Später wurde er durch das stehende „U“ ersetzt.
Betrieblich
stand die Eimsbütteler Zweiglinie, wie später auch die Zweiglinie nach
Rothenburgsort, in Konkurrenz zu den Straßenbahnlinien der
Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft (SEG). Das änderte sich auch nicht, als 1918 auf
Wunsch des Senats die HHA und die SEG fusionierten, weil jedes Verkehrsmittel
seinen eigenen Tarif behielt. Eimsbüttel war durch ein dichtes Straßenbahnnetz
gut erschlossen. Auf der Zweiglinie pendelten die U-Bahnzüge zwischen Schlump
und Hellkamp meist im 10-Minuten-Abstand. In der Haltestelle SCHLUMP mit den
drei Betriebsgleisen mussten die Fahrgäste auf die U-Bahnzüge der Ringstrecke
übersteigen, um von dort mit dem Umweg über den Hafen in die Innenstadt zu
fahren. Bei Pendelbetrieb endeten und begannen die Züge auf dem Mittelgleis 2.
Fahrgäste aus Richtung Hafen mussten den Bahnsteig über die an den
Bahnsteigenden vorhandenen Brücken wechseln. Aber es gab ab 1918 immer wieder
Änderungen im Fahrtenangebot, die eine Weiterführung der Züge ab Schlump mal
nach Rothenburgsort, mal nach Barmbek und bis in die Walddörfer brachte. Eine
Auflistung würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen.
Die
Straßenbahn bot damals nicht nur eine gute Verbindung nach St. Pauli und in den
Hafen, sondern auch in die Innenstadt und in das benachbarte preußische Altona.
Bereits 1925 erreichte der auch von der HHA betriebene Autobus Eimsbüttel. Die
Buslinie 2 (ab 1927: B) stellte als Durchmesserlinie eine Verbindung von
Eimsbüttel, Telemannstraße bis Eilbek her und später auch in die preußische
Stadt Wandsbek hinein. Ab 1927 ergänzte die Buslinie F zwischen Eimsbüttel und
Bf. Alt-Rahlstedt die Linie B. Wegen der guten Nachfrage setzte die HHA ab 1929
die aus Berlin bekannten Doppeldeckerbusse („Etagenbusse“) ein. Von Altona
kommend endeten ab 1928 Busse der der Stadt Altona gehörenden VAGA mit deren
Linie 2 am Randbereich Eimsbüttels. In Folge des Groß-Hamburg-Gesetzes konnte
die HHA ab 18.10.1937 die Verkehrsleistungen der VAGA übernehmen. Die HHA
sorgte umgehend dafür, dass der parallel zu ihren Straßenbahnlinien verkehrende
ehemalige VAGA-Busverkehr verschwand. Kriegsbedingt endete der Autobuseinsatz
in Eimsbüttel 1940, das galt auch für die Nachtbuslinien.
Durch
Spreng- und Brandbomben ruhte der U-Bahn-Verkehr durch Eimsbüttel immer wieder
tage- und wochenweise. Am 03.05.1945 kam der gesamte U-Bahn-Verkehr in Hamburg
zum Erliegen. Bereits ab 08.05.1945 fuhren aber wieder erste U-Bahnzüge
zwischen Schlump und Hellkamp, zunächst eingleisig und ohne Halt durch die seit
29.07.1944 geschlossene Haltestelle Christuskirche (bis 17.10.1948). Auch als
wieder zweigleisiger Betrieb möglich war, blieb es bei der Beschränkung auf den
Abschnitt Schlump – Hellkamp, zunächst im 15-Minuten-Takt, dann ab 1950 alle 10
Minuten. Erst ab 04.11.1958 entfiel für
die Eimsbütteler U-Bahn-Nutzer in den HVZ der Umsteigezwang in Schlump, als
U-Bahnzüge weiter auf die Ringstrecke wechselten und bis Hauptbahnhof fuhren.
Ab Anfang 1960 war das sogar werktags ganztägig möglich, um so den Fahrgästen
der am 31.12.1959 stillgelegten Straßenbahnlinie 5 (Langenfelde – Eichtal) eine
Fahralternative zu bieten. Die Stilllegung der Straßenbahnlinie 3 zwischen
Eidelstedt und Betriebshof Langenfelde sorgte ab dem 29.10.1961 für die
Rückkehr des Autobusses in diesen Stadtteil, zunächst mit der Linie 58 zwischen
Eimsbüttel, Eichenstraße – Eidelstedter Platz.
Die
Haltestelle HELLKAMP werden viele U-Bahnnutzer heute aber nicht mehr kennen,
obwohl sie auf ihrer Fahrt von der Haltestelle Osterstraße zur Lutterothstraße
regelmäßig an den Resten der „Geisterhaltestelle Hellkamp“ vorbeifahren. Mit
unserem Bild des Monats wollen wir an ein Ereignis in der Hamburger
U-Bahngeschichte erinnern, das am 01.05.1964 - vor 50 Jahren - zur
vorübergehenden Stilllegung dieser Zweiglinie und zum Ende der Haltestelle
Hellkamp führte.
Das 1964 kurz vor der Stilllegung
entstandene Foto der Haltestelle
HELLKAMP zeigt einen Teil des Mittelbahnsteigs mit braunen Kacheln und die
daran angrenzende Schalterhalle mit Treppenanlage. Links und rechts des
Bahnsteigs führen die Gleise in die Kehranlage, die 1929 die erste selbsttätig
arbeitende in Deutschland war. Im Ausgangsbereich sieht man das klassische Sperrenhäuschen
mit Sperrgitter. Links befindet sich der geöffnete Fahrkartenschalter. Am Ende
des Bahnsteigs stehen die klassischen, schweren Mülltonnen aus verzinktem
Blech. Seit den 1970er erleichtern Müllbehälter aus Kunststoff und mit Rädern
die schwere Arbeit der Mitarbeiter der Hamburger Stadtreinigung. Die damalige
HOCHBAHN-Tochter Hamburger Verkehrsmittel-Werbung hat selbst schmalste Flächen
für ihre Werbezwecke genutzt, darüber ein Umgebungsplan für die Fahrgäste.
Rechts sieht man die damals auf vielen Vorkriegs-U-Bahnhaltestellen
anzutreffenden „Litfaß-Säulen“. Diese Haltestelle war Kopf- und
Einsetzhaltestelle - deswegen hängt am Beginn des Bahnsteigs eine Signaltafel
für das Fahrpersonal. Die „schwarze Glühbirne“ (Signal SO 8) informiert das
Fahrpersonal darüber, dass auf dem zu befahrenden Streckenabschnitt kein Nebel
zu erwarten ist, das Nebellicht ist auszuschalten...
Im Zuge der
Planung von Neubaustrecken beschloss der Hamburger Senat 1961 die Errichtung
einer U-Bahnstrecke Stellingen – Innenstadt – Billstedt, die Eimsbütteler
Zweiglinie sollte in dieser Neubaustrecke aufgehen. Der geplante Verlauf der ab
Hellkamp nach Stellingen zu verlängernden Strecke führte zu umfangreichen
Diskussionen. Endpunkt sollte an der neu gebauten Koppelstraße, in der Nähe zu
Hagenbecks Tierpark sein. Die eine Variante sah die Beibehaltung von Hellkamp
vor und eine neue Unterwegshaltestelle „Brehmweg“ vor. Die andere die Aufgabe
von Hellkamp und in unmittelbarer Nähe den Neubau einer Haltestelle
„Lutterothstraße“, dafür Verzicht auf „Brehmweg“. Wie bekannt, fiel die
Entscheidung zugunsten der letztgenannten Variante, auch weil dadurch das
Neubaugebiet „Lenz-Siedlung“ gut an die U-Bahn anzubinden war.
Im Mai 1962 begannen am Lindenplatz die Arbeiten für die Neubaustrecke. Die Bauarbeiten auf Eimsbütteler Gebiet machten eine Stilllegung des Abschnittes zwischen Schlump und Hellkamp ab 01.05.1964 notwendig. Hier waren u.a. folgende Arbeiten auszuführen:
·
Entfernen des zweiten Betriebsgleises auf
der bisherigen Strecke Schlump („oben“) – Christuskirche;
·
Verlängerung der Bahnsteige von
Christuskirche und Emilienstraße für 120 Meter-Züge;
·
Neubau der Haltestelle Osterstraße, nun
mit Seitenbahnsteigen für 120 Meter-Züge , neue Zugänge, keine Verkehrsinsel im
Heußweg mehr, Gleis auf fester Betonfahrbahn;
·
Stilllegung und Abbruch der Haltestelle
Hellkamp;
·
Bisher als Kehranlage genutzter Tunnel
verschließen;
·
Neubau Haltestelle Lutterothstraße (120
m) und Anschluss an die Altbaustrecke;
· Optimierung der Gleisanlagen.
Als
Ersatz dienten die beiden verlängerten Buslinien 56 (U Schlump – Eidelstedt)
und 58 (U Schlump – Eidelstedter Platz) sowie die neu eingerichtete
Verstärkungs-Buslinie 156 (U Schlump – Hellkamp). Das Foto zeigt den am 01.05.1964 U Schlump auf Fahrgäste
wartenden Bus 7233 (Magirus-Deutz
Saturn II, Typ „Hamburg“, 3. Serie, Baujahr 1962) auf Linie 156. Dieser Bus
verkehrte anscheinend über Hellkamp hinaus nach Hagenbecks Tierpark. Ein
provisorischer Haltestellenmast mit dem damals gebräuchlichen „Löffel-“Schild
für Bushaltestellen, hier ergänzt um ein mit der Busliniennummer versehendes
ehemaliges H-Schild der Straßenbahn, steht am Fahrbahnrand der
Schäferkampsallee. Um die Fahrgastströme zu lenken, befand sich vor der
U-Bahnhaltestelle Schlump der Ankunftsbereich in der Gustav-Falke-Straße und
der abgetrennte Abfahrtsbereich in der Schäferkampsallee. Aufbauend auf die
Erfahrungen des Ersatzverkehrs nach Wandsbek fanden sich in Schlump auch
Sperrenschalter und Standschaffner für den Fahrkartenverkauf, um den
Betriebsablauf der in einem dichten Takt verkehrenden Busse im Einmannverkehr
nicht zu behindern. In den HVZ verließ hier alle sechzig Sekunden ein Bus den
Bereich. Allerdings mussten die Eimsbütteler für die Fahrt mit dem Ersatzbus
zehn Pfennig mehr bezahlen, weil der Umstieg in die U-Bahn in Schlump diesen
Zuschlag erforderte. Die HHA bedauerte diesen Umstand, der sich aufgrund der
Verlängerung bereits bestehender Buslinien nicht vermeiden ließ. Die beiden
über die Osterstraße verkehrenden Straßenbahnlinien 3 und 16 waren mit einem
verstärkten Zugangebot auch in den U-Bahn-Ersatzverkehr eingebunden. Hinzu
kamen noch die Straßenbahnlinien 14 und 15, die auch Fahralternativen
boten.
Die
umfangreichen Bauarbeiten führten auch zu einem grundlegenden Umbau der Haltestelle OSTERSTRASSE (Foto). Bis
1964 gab es hier einen Mittelbahnsteig. Die Fahrgäste warten auf den nächsten
Zug in Richtung Barmbek über St. Pauli. Links der erhöhte Abfertigungsstand für
den Zugabfertiger. Davor eine Sitzbank mit erhöhter Rückwand, um die Fahrgäste
vor Zugluft zu schützen. Die Feuchtigkeit auf dem Bahnsteig stammt vom
Haltestellenwärter, der mit Wasser aus einer Gießkanne versuchte, den
(Brems-)Staub auf dem Bahnsteig zu binden. Er hat aber nur die Fläche für
Kurzzüge (4 Wagen) bewässert. Die Bahnsteigstützen im Hintergrund sind anders
ausgeführt, weil in diesem Bereich der Bahnsteig 1928 verlängert worden war.
Die Fliesen an den Bahnsteigwänden waren grün.
Ab dem 31.10.1965 erhielt die U-Bahn-Linie hier die Bezeichnung „U 2“. Am 30.10.1966 ging die Verlängerung nach Hagenbecks Tierpark in Betrieb. Die neue, als Durchmesserlinie konzipierte Verbindung war erst im Juni 1973 fertig und brachte den Eimsbüttelern nun eine umsteigefreie direkte Verbindung in die Innenstadt und führte mit der Stilllegung der Straßenbahnlinie 3 zwischen Betriebshof Langenfelde und Rathausmarkt zum Ende des Straßenbahnbetriebs durch Eimsbüttel. Allerdings endeten die von Hagenbecks Tierpark kommenden Züge nicht in Billstedt, bzw. an der Merkenstraße, dem östlichen Endpunkt der Neubaustrecke, sondern fuhren ab Berliner Tor weiter über die Ringstrecke nach Wandsbek-Gartenstadt. Man wollte damit den als betrieblich ungünstig angesehenen Ringverkehr beenden. Die Haltestellen des U-Bahn-Ostrings mussten daher für 120 m Zuglänge hergerichtet werden. Die Möglichkeit, nunmehr Acht-Wagenzüge auf der U 2 einzusetzen, wurde vermehrt genutzt. Die Notwendigkeit, das Zugangebot auf der Strecke in Richtung Billstedt durch Einsatz längerer Züge zu verstärken, erlaubt seit 2009 - nach dem Umbau der Gleisanlage Berliner Tor – den Betrieb der Linie U 2 von „Stellingen nach Billstedt“, so wie es ursprünglich einmal geplant war. Und der Ringverkehr kehrte zurück.
Text: Lutz Achilles / HOV