Bild des Monats September 2014

 

 

Rückkehr eines „Eppendorfers“

 

In einem Beitrag über den HOV bezeichnete die HOCHBAHN in ihrer Mitarbeiterzeitung „HOCHBAHN aktuell“ den zur Fahrzeugsammlung des HOV gehörenden Wagen 1983 als einen „Eppendorfer“. Es handelt dabei um den in den Hallen der Fahrzeugwerkstätten Falkenried GmbH (FFG) entstandenen S 80 mit Erstzulassung am 07.06.1979. Das amtliche Straßen- und Gebietsverzeichnisvon 1974 ordnet das Werksgelände aber dem Hamburger Stadtteil Hoheluft-Ost zu -„Eppendorfer“ klingt eben etwas gefälliger. Bei unserem S 80 handelt es sich um einen „echten Hamburger“ aus derNull-Serie zur Erprobung des unter maßgeblicher Beteiligung der FFG für den Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe entwickelten „Standardlinienbus Typ II“. Von diesen wenigen Vorserienfahrzeugen sind heute in Deutschland nur noch zwei Exemplare erhalten. Neben dem Wagen 1983 in der Ausführung von Daimler-Benz gibt es bei der Rheinbahn Düsseldorf den Wagen 8515 in MAN-Ausführung. Nähere Einzelheiten zur Fahrzeuggeschichte  entnehmen Sie bitte der Fahrzeugbeschreibung auf unserer Website.

 

Aber Thema dieses „Bild des Monats“ soll die Rückkehr des S 80 in den aktiven Fahrzeugbestand des HOV sein. Anfang 1986 übernahm der HOV den gerade bei der HOCHBAHN ausgemusterten Bus in einem sehr guten Zustand. Die HOCHBAHN erhielt im Gegenzug den bis dahin zum HOV gehörenden V6-Straßenbahnwagen 3642, ebenfalls ein „echtes Falkenried“-Fahrzeug. Seit Ende August 2014 begrüßt dieser Triebwagen im „BAUHAUS“-Baumarkt Lokstedt, auf dem Gelände des letzten Straßenbahnbetriebshofs in Hamburg, die Besucher. Allerdings ist der Wagenkasten von der jahrzehntelangen Freiaufstellung bei der HOCHBAHN  in Barmbek gezeichnet.

 

 

Die Entscheidung fiel damals für diesen Bus, weil er neben seinem guten Zustand über eine an die Serienbusse angepasste Lackierung mit attraktiver, zeitgenössischer „Hamburg ist …“ - Werbung verfügte. Bei den übrigen S 80-Bussen hatte zwischenzeitlich aufgebrachte Außenwerbung zu einer Änderung der typischen S 80-Sonderlackierung geführt. Auf dem kleinen Foto sieht man den Bus am 17.04.1983 in seiner Sonderlackierung.Am 06.10.1983 steht Wagen 1983 mit seiner neuen Lackierung auf dem Betriebshof Mesterkamp, nach seiner Rückkehr aus Bonn. Anlass war die Ausstellung „Neue Wege im Personennahverkehr“, die vom 15. – 28.09.1983 in der Hamburgischen Landesvertretung in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn stattfand. Zu den dort gezeigten Innovationen gehörte neben unserem S 80 u.a. ein Fahrgastunterstand der Firma Decaux, eine Bushaltestelle nach neuem Hamburger Muster, auch ein Frontmodell vom Drehstromzug DAT 1 der Hamburger U-Bahn. Am 25.09.1983 steht Wagen 1983 vor der Landesvertretung in der Kurt-Schumacher-Straße in Bonn.

 

 

Aus Kostengründen war an eine Wiederzulassung des S 80 nach der Übernahme nicht zu denken. Aber er war regelmäßig auf verschiedenen Veranstaltungen zu sehen. So auch 2000 auf dem Flughafentag in Hamburg-Fuhlsbüttel. Das Wetter am Veranstaltungstag war wechselhaft, ein Regenschauer brachte unserem Bus unerwartet „ein volles Haus“ durch schutzsuchende Besucher. Und damit begann das Problem. Ein Besucher muss Kleidermotten gehabt haben. Für die Stoffsitze im S 80 eine zunächst in ihrer Dimension unterschätzte Gefahr. Übliche Mittel für den Kleiderschrank aus dem Drogeriemarkt erwiesen sich für einen Bus als ungeeignet. Erst ein Kammerjäger setzte dem Wirken der Motten ein Ende. Da war das Zerstörungswerk an einem Großteilder Sitze schon gut sichtbar vorangeschritten. Ersatzstoff für die Sitze war nicht zu beschaffen, der Bus konnte so der Öffentlichkeit nicht mehr gezeigt werden. Der Bus verfiel in einen „Dornröschenschlaf“.  

 

Zu seiner Erweckung bedurfte es eines Prinzen. Diese Rolle übernahm in diesem Jahr ein Vereinsmitglied mit Kfz-Mechaniker-Ausbildung. Er nahm sich des - dank der jahrzehntelangen Hallenunterstellung nach wie vor in einem guten Erhaltungszustand befindlichen - Busses an. Trotzdem galt es, einige grundlegende Probleme zu lösen. Die durch thermische Spannungen gesprungenen Frontscheiben waren zu erneuern. Diese nur noch als Sonderanfertigung nachzufertigenden Scheiben befanden sich schon seit rund zehn Jahren im Bestand des HOV. Vor deren Einbau musste der Scheibenrahmen im Frontbereich umfassend entrostet werden. Für die Sitze konnte ein im Farbton entsprechender Stoffbezug beschafft werden, allerdings in uni.

 

Um günstige Einstiegsverhältnisse für die Fahrgäste zu schaffen, erhielten die S 80 – im Vergleich zu den DB O 305 und den späteren MB O 405 – kleinere Reifen. Bei den Reifen handelte es um Spezialanfertigungen, die aber eine erhöhte Verschleißanfälligkeit gegenüber anderen Markenreifen aufwiesen. Im Bestand des HOV fanden sich zwar noch unbenutzte S 80-Reifen,aber auch für Museumsfahrzeuge ist die Fahrzeugsicherheit ein hohes Gut. Obwohl optisch noch gut aussehend, fiel die Entscheidung, die Reifen aufgrund ihres Alters nicht mehr zu verwenden. Also blieb zu klären, ob die Reifen noch als Sonderanfertigung von der Industrie zu beschaffen wären. Ohne abschließend zu klären, ob Pressformen für diesen Reifentyp noch existieren, stand aber schnell fest, dass wegen nur sechs benötigter Reifen eine Sonderanfertigung für den HOV unbezahlbar gewesen wäre. In Absprache mit dem TÜV wurden daher neue, größere Reifenfelgen mit einem optisch schmaler wirkenden Reifen beschafft. Ein Kompromiss, der die Einstiegsverhältnisse nahezu unverändert lässt.

 

Statt der erhofften Wieder-Inbetriebnahme im September 2014 zeichnet sich nun der Oktober 2014 ab. Wir werden entsprechend informieren und wahrscheinlich zeitnah eine Sonderfahrt mit dem unverändert modern wirkenden, aber mittlerweile bereits 35 Jahrealten Bus veranstalten. Bis dahin sind in der Freizeit und im Urlaub geleistete Arbeitsstunden im niedrigen dreistelligen Bereich angefallen. Hierdurch konnten die Kosten in einem mittleren vierstelligen Bereich gehalten werden, die größtenteils durch zweckgebundene Spenden aus dem Kreis der Mitglieder finanziert wurden. Wir hoffen,auf dieser Basis weitere Fahrzeugprojekte im Laufe der Zeit umsetzen zu können. Hierzu bedarf es aber weiterer Unterstützer.

Text: Lutz Achilles / HOV


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