Bild des Monats Mai
2015
Erinnerung an die U-Bahn nach Rothenburgsort
Den
regulären Betrieb nahm die HOCHBAHN am 27.07.1915 um 4:54 Uhr auf. Keiner ahnte
damals, dass genau 28 Jahre später, mit Betriebsschluss des 27.07.1943, der
U-Bahn-Betrieb hier für immer endete.
Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an diese - vielfach vergessene
- Strecke im Hamburger U-Bahnnetz. Der Ausschnitt aus einer Übersichtskarte von 1928 zeigt den
Verlauf der Strecke. Diese verlief - meist aufgeständert – am Rande dicht
besiedelter Wohngebiete. Am Hauptbahnhof
bestand bahnsteiggleicher Übergang auf die Ringlinie in Richtung Hafen.
Von der Möglichkeit, hier die Züge aus Rothenburgsort auf die Ringlinie
übergehen zu lassen, wurde in den ersten Jahren kein Gebrauch gemacht. Große
Teile der Wohnbevölkerung hatte ihren Arbeitsplatz im Hafen, so dass die
Verbindung eine große Nachfrage erwarten ließ.
Tatsächlich
erwies sich der anfängliche 10-Minuten-Takt auf dieser Linie von Beginn an als
ausreichend. Auch verkehrten zunächst nur 2-Wagenzüge. Die (Seiten-)Bahnsteige
mit einer Länge von 67 m hätten auch 4-Wagenzüge erlaubt. Die unzureichende
Nachfrage führte dazu, dass die Wagen der vierten Lieferung (Wagen 177 – 180)
einen zweiten Fahrerstand erhielten, um so auch Einzelwagen zwischen
Hauptbahnhof und Rothenburgsort pendeln lassen zu können. Die Fahrt dauerte je
Richtung jeweils sechs Minuten. Die Karte zeigt aber auch, dass mehrere
Straßenbahnlinien die Umgebung der U-Bahn-Haltestellen erschlossen und die
Endhaltestelle Rothenburgsort, unmittelbar am gleichnamigen Haltepunkt der
Staatsbahn liegend, zur Wohnbebauung in Rothenburgsort eine Randlage aufwies.
Hier war die durch die engbebauten Straßen fahrende Straßenbahn im Vorteil, das
galt auch für die Erreichbarkeit der später bei der Zollvereinsstraße
eröffneten Hanseatenhalle, Schauplatz zahlreicher Großveranstaltungen. Die
Fahrgastzahlen der U-Bahn blieben bescheiden. Hinzu kam noch die wirtschaftlich
schwierige Zeit nach dem Ende des 1. Weltkriegs und der Umstand, dass die
Hamburger Straßenbahn über Jahrzehnte die Hauptlast des Verkehrs in der
Millionenstadt trug und in diesem Bereich in Konkurrenz zur Hochbahn (U-Bahn)
stand, auch wenn beide Verkehrsträger seit 1918 unter dem Dach eines
Unternehmens betrieben wurden. Vom 15.09.1923 bis 22.02.1924 ruhte der
U-Bahn-Betrieb auf dieser Zweiglinie. Ein Teil der Strecke zwischen
Hauptbahnhof und Spaldingstraße nutzte die HOCHBAHN in dieser Zeit zum
Abstellen überzähliger Wagen.
Von
der Zweiglinie nach Rothenburgsort gibt es nur wenige Betriebsbilder. Hier
überquert ein typischer 2-Wagenzug
den Mittelkanal. Umweltschutz war
damals noch kein Thema wie der Fabrikschornstein im Hintergrund zeigt..
Den
„betrieblichen Höhepunkt“ in der Betriebsabwicklung stellte die Zeit zwischen
dem 04.01.1926 und dem 01.06.1929 dar. In dieser Zeit gab es in verschiedenen
Ausgestaltungen durchgehende Züge von Rothenburgsort über den westlichen Ring
und ab Kellinghusenstraße über die Zweiglinie Ohlsdorf und die Langenhorner
Bahn bis nach Ochsenzoll. Aber auch diese Maßnahme brachte keinen nennenswerten
Fahrgastzuwachs auf der Strecke nach Rothenburgsort, wie ein Gutachten von Holstein
und Dr. Kemmann vom März 1929 nachwies. Trotzdem wurden auch die Haltestellen
der Zweiglinie Rothenburgsort um diese Zeit auf die neue einheitliche
Bahnsteiglänge von 90 Metern für 6-Wagen-Züge angepasst. In diesem Zusammenhang
sei auf das Heft Nr. 26 (ISBN 978 3 923 999 76 7) der Verkehrshistorischen
Schriftenreihe des VVM verwiesen. In diesem Heft wird sehr detailliert der
Verkehr zwischen Hammerbrook und
Wilhelmsburg beschrieben.
Wie
die übrigen Haltestellen auch verfügte die Haltestelle
Rothenburgsort über eine Bahnsteighalle. Hier begegnet ein 2-Wagenzug der HOCHBAHN einem Straßenbahnzug der Linie 21 auf dem Weg
nach Barmbe(c)k. Im Hintergrund das Stellwerk für die dreigleisige
Abstellanlage. Das „Hamburger Echo“ berichtete 1951 über den Abbruch der
Strecke und vermeldete, dass diese Bahnsteighalle auf dem Werksgelände von
Krupp in Essen eine neue Verwendung finden sollte.
Das
leider in einer schlechten Qualität erhaltene Foto vom 19.06.1970 zeigt den heute bei der Historischen S-Bahn Hamburg noch
vorhandenen Triebzug 470 128 im Haltepunkt Rothenburgsort. Links vom
Zug sieht man noch Teile vom Bahndamm der Hochbahn und – so erscheint es –
Teile vom Unterbau der ehemaligen Hochbahn-Haltestelle. Wenig später entstand
hier ein Bürogebäude mit einem Berufsausbildungszentrum.
Baulich
und betrieblich wies die Hochbahnstrecke einige Besonderheiten auf. Noch heute
zu erkennen ist die Ausfädelung aus der Ringstrecke unmittelbar hinter der
Haltestelle Hauptbahnhof. Daran schloss sich die markante 112 m lange Rampe
Norderstraße mit einer Neigung von 1:22,6 an. Diese ging über in das als
Fachwerk-Bogenbrücke mit einer Spannweite von 49,5 m über die Gleise der
Staatsbahn und der Lübeck-Büchener Eisenbahn ausgeführte Bauwerk.
Noch
vor Vollendung des Hochbahn-Grundnetzes hatten bereits die Bauarbeiten an
der „Walddörferbahn“ und „Langenhorner
Bahn“ begonnen, Streckenerweiterungen, die auf Rechnung des Hamburgischen
Staates erfolgten. Hierfür waren staatlicherseits auch U-Bahnwagen und
ausreichende Unterstellmöglichkeiten zu beschaffen. Aufgrund der Randlage im
Netz wurde auf eine Wagenhalle für die Langenhorner Bahn am Endpunkt Ochsenzoll
verzichtet. Stattdessen sollte diese im Anschluss an den Endpunkt in
Rothenburgsort entstehen. Von Seiten der HOCHBAHN bestanden zu dieser Zeit
bereits Planungen im Bereich Rothenburgsort / Billwerder einen Betriebsbahnhof
zu bauen. Staat und Gesellschaft einigten sich darauf gemeinsam ein
entsprechendes Bauwerk zu errichten. Nach Erweiterungsplanungen entstand
schließlich eine 178,77 m lange und 40,26 m breite Wagenhalle für bis zu 108
U-Bahnwagen mit neun Gleisen und Lagerräumen. Die Zuführungsstrecke ab der
Haltestelle Rothenburgsort verlief auf einem Bahndamm parallel zur
Eisenbahnstrecke Hamburg-Berlin in Richtung Tiefstack und wies eine Länge von
ungefähr einem Kilometer auf. Die Inbetriebnahme war am 05.01.1925. Die
Überlegung, hier auch einen neuen Standort mit Untersuchungsmöglichkeiten für
den Wagenpark zu schaffen, wurde nicht mehr umgesetzt, weil eine
zwischenzeitlich neu errichtete Wagenhalle bei der Haltestelle Stadtpark (heute
Saarlandstraße) den in unmittelbarer Nähe liegenden Betriebsbahnhof Barmbek mit
Hauptwerkstatt ausreichend entlastete. In Rothenburgsort wurden daher nur
nachts U-Bahnwagen aus dem Netz untergestellt. 1938 gab man das regelmäßige
Unterstellen wieder auf. Zwischen 1937 und Frühjahr 1939 diente die Halle auch
für im Straßenbahnbetreib nicht benötigte A5- und A7-Beiwagen. Im 2. Weltkrieg
waren in dem Objekt, das über die Billstraße angefahren werden konnte,
zeitweise italienische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene untergebracht.
Seit
1929 bestand wieder weitgehend der Inselbetrieb Hauptbahnhof – Rothenburgsort,
der eine einfache Betriebsabwicklung erlaubte. An den
Endpunkten wurden 1930 und 1931 selbsttätige Kehranlagen in Betrieb genommen,
die Personal einzusparen halfen.
Das „Unternehmen Gomorrha“ führte im Juli 1943 in Hamburg zu schwersten Zerstörungen in weiten Teilen Hamburgs durch Luftangriffe der Royal Air Force und US Air Force. In einer ungewöhnlich heißen Sommernacht begannen am 28.07.1943 um 1 Uhr die verheerenden Luftangriffe auf die dichtbesiedelten Stadtteile Hammerbrook und Rothenburgsort. Auch die U-Bahnstrecke wurde an vielen Stellen beschädigt bzw. zerstört, der Betrieb nicht wieder aufgenommen. 1951 begann der Abbruch der Strecke, weil keine Notwendigkeit für eine Schnellbahn in dieser leeren, vom Bombenkrieg gezeichneten Gegend mehr bestand.
Text: Lutz Achilles / HOV