Bild des Monats Juni 2015

 

 

„Das modernste Bussystem Europas“ - Hamburg als Vorbild?

 

Unser Bild des Monats zeigt eine Verkehrsszene von 1982 auf der Hudtwalckerstraße in Höhe der Brücke über die Alster, die hier die Grenze zwischen den Stadtteilen Winterhude und Eppendorf bildet. Im Straßenverlauf sind noch gut die Schienen der hier bis Mai 1977 verkehrenden Straßenbahn zu erkennen. Zuletzt war es noch die Linie 14, früher fuhren hier bis 1954 die Linie 18 als legendärer Alsterring und danach die Halbringlinien 14 und 15 zwischen Altona und Hamm. 2015 hätte hier wieder eine moderne Straßenbahn als leistungsfähige Stadtbahn fahren sollen. Aber der Wankelmut der Politik hat das verhindert.

 

Die über drei Jahrzehnte dauernden Planungen für eine Stadtbahn in Hamburg zeigen im Kleinen die rasche Wandlungsfähigkeit im Meinungsbild der beiden Parteien CDU und SPD. In der Opposition dafür, in Regierungsverantwortung gelangt, dagegen. 2011, nach Bildung eines SPD-geführten Senats, war es am Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, das Ende aller Planungen für eine Stadtbahn zu verkünden, obwohl die SPD in der Opposition noch dafür war. In seiner Regierungserklärung am 23.03.2011 erklärte er dazu:

 

„Die Stadtbahn war eine gute Idee, aber nach der Entscheidung der Vorgängersenate für die U-Bahn in die HafenCity muss man feststellen, dass sich Hamburg ein neues, weiteres Nahverkehrsmittel nicht leisten kann.“ Um den sich abzeichnenden Engpässen im Hamburger Nahverkehr zu begegnen, führte er weiter aus: „Dafür haben wir eine konkrete Vision: Hamburg soll das modernste Bussystem Europas bekommen. Das ist eine kluge Alternative zur Stadtbahn, und diese Alternative wird auch die nötige Akzeptanz finden. Wir wollen die Kapazitäten des Bussystems um ein Drittel steigern und ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen. Wir wollen weitere Busspuren bauen und den Bussen durch entsprechende Ampelschaltung an Kreuzungen Vorrang einräumen. Und wir wollen Bussysteme entwickeln helfen, die evtl. mit einer elektrischen Spurführung an den Komfort und die Leistungsfähigkeit einer Stadtbahn heranreichen.“

 

Soweit die Vision des Bürgermeisters. Obwohl als nüchterner Politiker bekannt, bediente sich Scholz hier eines Superlativs, um die Vorbildfunktion Hamburgs für andere Städte zu unterstreichen. Nach vier Jahren zeichnet sich der Weg der Umsetzung ab und Ernüchterung macht sich breit. Das vom Senat beschlossene Busbeschleunigungsprogramm für 259 Millionen Euro soll den Busverkehr in Hamburg weniger störanfällig und damit leistungsfähiger machen, um so den wachsenden Fahrgastzahlen gerecht werden zu können. Auch durch schlechte Öffentlichkeitsarbeit bedingt, findet dieses Programm nicht die ungeteilte Zustimmung bei den Bürgern, obwohl es sich hierbei auch um ein großes Straßeninstandsetzungsprogramm handelt, das dem Autoverkehr zu Gute kommt - mancher Autofahrer erscheint durch neue Fahrbahnmarkierungen und Verkehrsinseln aber überfordert. Die Verantwortlichen greifen hierbei auf Bekanntes und in anderen Städten Bewährtes zurück: Intelligente Ampelschaltungen, moderne Informationssysteme, besonders hergerichtete Bushaltestellen (Stichwort „Kasseler Sonderbord“), zurückgebaute Busbuchten und Busspuren. Die Hamburger Straßenbahn hatte in ihrer besten Zeit mehr eigene Gleiskörper und abgegrenzte Streckenabschnitte, als heute der Bus an Busspuren.

  

Mit der Ankündigung des „modernsten Bussystems“ verknüpft ist die Vorgabe, ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen. Allerdings wirft der Weg zur Elektromobilität noch viele Fragen und zu lösende Probleme auf. In Hamburg finden sich derzeit durch HOCHBAHN und VHH in Erprobung: Brennstoffzellenbusse, Batteriebetrieb und Hybridtechnik in verschiedenen Ausführungen. Den Schwerpunkt bildet hierbei der Einsatz von diesel-elektrischen Hybridbussen verschiedener Hersteller, die auch auf der seit dem 18.12.2014 als „Innovationslinie“ bezeichneten Buslinie 109 zu finden sind. Diese Busse erfüllen aber nicht das Kriterium „emissionsfrei“.

 

Die Hamburger Verkehrsunternehmen stellen bei der Erprobung von elektrischen Bus-Antrieben kein Alleinstellungsmerkmal dar. Zahlreiche andere Verkehrsunternehmen im In- und Ausland sind auch auf dem Weg in die Elektromobilität. So kommt es zur Erprobung von einer Reihe Fahrzeugtypen verschiedener Hersteller. Für Hamburg ist dann auch mal eine „Weltneuheit“ dabei. Seit Februar 2015 sind zwei Solaris-Gelenkbusse als Batteriebus mit Brennstoffzelle auf der Innovationslinie im Einsatz.

 

Allen Probebetrieben gemein ist, dass damit Hersteller und Verkehrsunternehmen wichtige Erfahrungen sammeln. Hierbei hat Hamburg – aufgrund der politischen Vorgabe – eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Doch ein alltagstauglicher elektrisch angetriebener Bus, mit zu einem herkömmlichen Dieselbus annähernd vergleichbaren Anschaffungskosten und Kapazitäten, zeichnet sich auf nähere Sicht nicht ab. Auch erfordern Busse mit dieser neuen Antriebstechnologie umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur. Eine Standardisierung von E-Bussen und deren Infrastruktur ist mehr als wünschenswert, aber derzeit nicht zu erkennen, auch weil noch Vorgaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fehlen. Beispielhaft seien die Ladelösungen für Elektrobusse genannt: Um die Reichweite von Elektrobussen zu erweitern, bedürfen diese „Plug-In“-Busse einer Energiezufuhr im Stillstand an den Linienendpunkten oder auf dem Betriebshof. Hamburg und Stockholm setzen auf einen am Lademast „inversen“ Pantographen, Wien auf einen auf dem Bus angebrachten Pantographen, Münster auf eine seitliche Ladestation, Braunschweig auf eine schnelle Induktionsladung während des Fahrgastwechsels an einigen Haltestellen unter dem Wagenboden. Eine weitgehende Standardisierung ist aber notwendig, um die Beschaffung solcher Busse künftig nicht zu einem wirtschaftlichen Risiko für die Verkehrsunternehmen werden zu lassen. Ungelöst ist noch die Entwicklung von E-Bussen, die eine dem Dieselomnibus vergleichbare Reichweite aufweisen.

 

Und für die Ankündigung: „das Bussystem an den Komfort und Leistungsfähigkeit einer Stadtbahn heranreichen zu lassen“ zeichnet sich derzeit keine Umsetzung ab. Bei der Laufruhe und der maximal möglichen Zuglänge von 75 m sind moderne Schienenverkehrsmittel hinsichtlich Komfort und Leistungsfähigkeit dem Bus unverändert überlegen. Auch sollte angesichts des demographischen Wandels das Verhältnis Fahrpersonal zur Anzahl der beförderten Fahrgäste nicht aus dem Blick verloren werden. Hier ist der Bus erneut dem Schienenverkehrsmittel unterlegen. Das vom Bürgermeister angekündigte „modernste Bussystem Europas“ ist bis heute nicht zu erkennen, eine Vorbildfunktion Hamburgs nicht gegeben.  

 

Das war vor geraumer Zeit anders. Zusammen mit dem VDV-Vorgänger, dem Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) konnte die HOCHBAHN durch ihre Tochtergesellschaft Fahrzeugwerkstätten Falkenried GmbH (FFG) in den 1960er- bis in die 1980er-Jahre wichtige und bedeutende Impulse für die Entwicklung des Omnibusverkehrs in der Bundesrepublik geben. Erinnert sei an die im Omnibusbau eingeführte Standardisierung mit den Standardlinienbussen I und II, aber auch erste Versuche mit Niederflurbussen und die Entwicklung der Knickwinkelsteuerung, die es erst erlaubte, bei Gelenkbussen den Motor im Heck anzuordnen und trotzdem ein sicheres Fahren zu ermöglichen. Mit unseren nachfolgenden Fotos erinnern wir an die epochemachenden Bustypen „Made in Hamburg“, die Beachtung in der Fachpresse fanden und mit Stolz Besuchern aus dem In- und Ausland vorgeführt wurden.

 

Auf unserem Titelfoto sehen wir den als Nachfolger für den seit 1968 produzierten Standardlinienbus durch FFG hergestellten „VÖV-BUS II“ HHA 1980 (Baujahr 1976) am 30.04.1982 auf der Linie 118 mit der Beschilderung für die Rückfahrt.

 

 

Dem VÖV-Bus II gingen umfangreiche Modellstudien voraus.

 

 

Heckansicht des VÖV II  HHA 1980. Am 14.04.1980 wirkte der Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel noch  gemütlich.

 

 

Zur Vorstellung des von FFG gebauten Niederflur-Schubgelenkbus HHA 1981 kam am 25.08.1975 auch der zuständige Bundesforschungsminister Matthöfer aus Bonn nach Hamburg auf das FFG-Werksgelände.  

 

 

In unmittelbarer Nähe des Volksparkstadions präsentiert sich HHA 1981 neben dem ersten Schub-Gelenkbus DB O 305 G, der 1977 bei FFG aus zwei DB O 305-Stadtbussen der 9.Serie entstand.

 

Leider wurde die Standardisierung in den 1990er-Jahren nicht fortgeführt, so dass die verbliebenen Omnibushersteller wieder zu Eigenentwicklungen übergingen. Nicht immer zum Vorteil für Fahrgäste und Verkehrsunternehmen. Daran wird als man als Fahrgast regelmäßig schmerzlich erinnert, wenn man im „CITARO“ von den hinteren Sitzplätzen aufsteht, an einen möglichst sicheren Übergang in den tiefen Mittelgang bei schwankender Fahrt denkt und sich dabei mal wieder den Kopf an einer Querstange stößt. Design trifft auf Wirklichkeit!

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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