Bild des Monats September 2016

 

Schülerbeförderung einmal anders

 

Die Schülerbeförderung mit Sonderlinien und im HVV war bereits im August 2009 Thema in dieser Rubrik (siehe Archiv). Und üblicherweise werden die Schüler morgens vom Wohnort zur Schule und mittags bzw. am frühen Nachmittag wieder zurückgefahren. Mit unserem Bild des Monats erinnern wir diesmal an eine Hamburger Besonderheit Anfang 1989: Die morgendliche Schülerbeförderung weg von der Gesamtschule Mümmelmannsberg. Auf der Linie 752 setzte die VHH am 03.02.1989 den Wagen 8433 (DB O 305, Baujahr 1984) ein. Wer hätte damals gedacht, dass dieser Bus später zu einem Museumsbus wird?

 

Seit den 1980er-Jahren war Asbest in Gebäuden zunehmend in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Auch in der Gesamtschule Mümmelmannsberg fanden seit 1985 Untersuchungen zu dieser Thematik statt, die aber keine Gefährdungen ergaben. Doch Mitte 1988 stellte der TÜV Asbestgefahren im 1. Bauabschnitt der Schule fest, die vorsorgliche Maßnahmen zum Schutz der Schüler erforderten. Die Schulbehörde entschied, für 46 Klassen den Schulbetrieb einzustellen und die Schüler ab dem 14.12.1988 in vorgezogene Weihnachtsferien zu schicken und mit den Sanierungsmaßnahmen zu beginnen. Die zuständige Senatorin sprach sich gegen die Errichtung von Pavillons als Ausweichquartier aus. Also blieb nur die Möglichkeit, die Schüler auf Gastschulen in Hamburger Stadtgebiet zu verteilen. Der Senat richtete deswegen am 10.01.1989 einen Dringlichen Antrag an die Bürgerschaft (BüDrs 13/3102), um Mittel für die Einrichtung von Schulbuslinien einzuwerben.

 

Der Senat entschied sich für folgende Gastschulen:

Ehemalige Janusz-Korczak-Schule (Bullenhuser Damm) – 480 Schüler der Stufen 5-7

Otto-Hahn-Schule (Jenfelder Allee) – 300 Schüler der Stufen 8 und 9

Schule Speckenreye – 170 Schüler der Stufe 10

Gymnasium St. Georg (Querkamp) – 120 Schüler der Oberstufe

 

Der Senat sah das Oberstufen-Kurssystem als ungeeignet für einen Schulbusbetrieb an. Auch mit Rücksicht auf die soziale Lage der Bevölkerung in Mümmelmannsberg erhielten diese Schüler eine kostenlose Schülermonatskarte. Für die drei anderen Ausweichorte führte der Senat eine öffentliche Ausschreibung für Schulbuslinien aus. Die HOCHBAHN und die VHH erhielten den Zuschlag und richteten folgende drei Schulbuslinien ein, die am 09.01.1989 den Betrieb aufnahmen:

 

752 nach Speckenreye (VHH)

777 nach Jenfelder Allee (HHA)

779 nach Bullenhuser Damm (HHA/VHH)

 

 

Es war noch dunkel, als die Schüler am 03.02.1989 bei der Schule Mümmelmannsberg den HHA-Bus 7731 (MB O 405 G, Baujahr 1987) auf der Linie 779 betraten. Der HOV hat seit kurzem mit dem ex-HHA-Bus 7714 so einen Gelenkbus in seiner Sammlung.

 

 

Durch geschickte Umlaufplanung in Abstimmung mit dem Stundenplan gelang es, den Einsatz der Schulbusse auf verschiedenen Linien zu optimieren. Der eine knappe Stunde zuvor auf der Linie 779 verkehrende HHA-Bus 7731 nahm nun als Linie 777 Schüler in Mümmelmannsberg auf. 

 

Im Antrag an die Bürgerschaft rechnete der Senat mit 3.660 DM an täglichen Kosten für die Beförderung von 950 Schülern der Stufen 5 bis 10. Der Senat hoffte, die Linie 779 mit Beginn der Frühjahrsferien 1989 wieder einstellen zu können, weil dann im 2. Bauabschnitt der Gesamtschule der Schulbetrieb für die Stufen 5-7 wieder aufgenommen werden sollte, sofern nicht neue Asbestfunde das unmöglich machten. Für die übrigen Stufen erwartete der Senat eine mehrjährige Auslagerung. Der Senat beantragte daher für 1989 579.000 DM und die Folgejahre jeweils 522.000 DM.

 

 

Nach Unterrichtsende fuhren am Mittag des 03.02.1989 insgesamt fünf Busse, bestehend aus zwei Gelenkbussen und zwei Standardbussen der HHA und einem VHH-Bus vor der ehemaligen Janusz-Korczak-Schule am Bullenhuser Damm auf, hier HHA 2546 (MB O 405, Baujahr 1985) als Wagen 4.  

 

 

Der VHH-Bus 8237 (DB O 305, Baujahr 1982) stellte an diesem Tag den Wagen 5.

 

Mit der Schule am Bullenhuser Damm entschied sich der Senat für ein Schulgebäude mit hamburgweiter Bekanntheit. Das markante Backsteingebäude im Stadtteil Rothenburgsort überstand die schweren Luftangriffe auf diesen Stadtteil im Jahres 1943. Nach den schweren Zerstörungen im Umfeld war ein Schulbetrieb dort nicht mehr möglich. Im Laufe des Jahres 1944 wurde es eine Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme. In der Nacht zum 21.04.1945 fanden hier eines der letzten Verbrechen der SS statt. Um die Spuren medizinischer Experimente an zwanzig Kindern zu verwischen, erhängten SS-Leute diese Kinder, die kurz zuvor aus dem KZ hierher verlegt worden waren. In dieser Nacht ermordete man hier  auch die erwachsenen Betreuer der Kinder und 24 namentlich nicht bekannte sowjetische Kriegsgefangene. Wie bei anderen Nazi-Verbrechen auch, wurden nach Kriegsende nur wenige Personen dafür zur Rechenschaft gezogen, viele blieben unbehelligt.

 

Ab 1948 nahm die Stadt hier den Schulbetrieb als Volksschule wieder auf. 1980 benannte man das mittlerweile zur Hauptschule gewordene Gebäude in Janusz-Korczak-Schule, um so an den gleichnamigen Pädagogen zu erinnern, der 1942 die Kinder eines Waisenhauses im Warschauer Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka begleitete und damit in seinen eigenen Tod. 1980 erklärte der Senat das Gebäude zur Gedenkstätte. Eine explodierende Rohrbombe vor dem Gebäude war darauf eine Reaktion von Neo-Nazis. Trotzdem wird dort bis heute regelmäßig der „Kinder vom Bullenhuser Damm“ gedacht. 1987 endete hier der reguläre Schulbetrieb in dieser unwirtlichen Gegend aus Gewerbeflächen, bis er Anfang 1989 wieder kurzzeitig aufgenommen wurde.

 

 

Mit dem markanten Schulgebäude im Hintergrund begann am 03.02.1989 der HHA-Wagen 2548 (MB O 405, Baujahr 1985) als Wagen 3 auf der Linie 779 die Rückfahrt nach Mümmelmannsberg.

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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