Bild des Monats November 2016
Hamburg, wie hast Du Dich verändert!
Auch
wenn fotografierende Verkehrsamateure von manchem Verkehrsunternehmen nicht
gerne gesehen werden, von anderen
abwertend belächelt werden, bewahren sie nicht nur ein Stück Unternehmensgeschichte,
sondern oft auch Stadtgeschichte vor dem Vergessen. Denn das städtische Umfeld
der Nahverkehrsmittel unterliegt ständigen Veränderungen, wie auch die Mode der
Fahrgäste. Gab es in den Verkehrsunternehmen früher eigene „Lichtbildstellen“,
sind diese heute meist wegrationalisiert und es wird sich externer Fotografen
bedient. Diese sind sicherlich Könner ihres Fachs, doch es fehlen ihnen meist
die spezifischen Orts- und Betriebskenntnisse, die Generationen von
Verkehrsamateuren aber haben. Auch wenn heute in Zeiten der modernsten
Kommunikationstechniken Fotos zu einem „Allerweltsartikel“ geworden sind,
erzählen ältere Fotos von Verkehrsamateuren nicht selten eine Geschichte und
leiten den Betrachter in eine Reise in die Vergangenheit, oft in die eigene als
Fahrgast. Mit unserem Bild des Monats wird am Beispiel des Flughafens
Hamburg-Fuhlsbüttel an die wirklich tiefgehenden Veränderungen in diesem
Einsatzgebiet erinnert. Im November 2008 (siehe Archiv) war die
Verkehrsanbindung des 1911 eröffneten und damit ältesten Verkehrsflughafen
Deutschlands schon einmal Thema dieser Rubrik.
Eine
Ansichtskarte von ungefähr 1963 zeigt den Zugangsbereich des Flughafens
Hamburg-Fuhlsbüttel mit dem 1929 entstandenen Verwaltungs- und
Abfertigungsgebäude im Hintergrund, das zwischen Mai 1959 und November 1961
umfangreiche Um- und Anbauten erfuhr. Neben den auch damals zwangsläufig
notwendigen Stellplätzen für Pkw liegen, gut sicht- und erreichbar für den
Fluggast, die Haltestellen von Bus und Straßenbahn. 1963 war der Flughafen wie
folgt an das Verkehrsnetz angebunden:
Straßenbahnlinie 9 (Flughafen – Innenstadt –
Bramfeld)
Schnellbuslinie 31 (U Ochsenzoll – Flughafen –
Innenstadt – Kirchsteinbek)
Stadtbuslinie 79 (Tannenhof – Flughafen über U
Fuhlsbüttel)
Schnellbuslinie 91 (Teufelsbrück – Flughafen –
Billstedt)
Mit
der Straßenbahnlinie 3 konnte man damals auch in der Nacht den Flughafen
erreichen. Für wartende Fahrgäste der Straßenbahn gab es eine massive
Wartehalle aus Holz. Im Hintergrund sieht man einen auf Fahrgäste wartenden Büssing 11R / U7H der HHA (Baujahr
1960/61, Serie 7100-7161) auf der Linie 79.
Um
Platz für mehr Pkw-Parkplätze zu schaffen, verlegte man 1973 die
Straßenbahnhaltestelle aus dem zentralen Blickfeld in Richtung Endhaltestelle
und dadurch in eine Randlage. Für die Fahrgäste der Straßenbahn entstanden so
längere Wege. Auch die Busse hielten nun etwas abseits in der Nähe des
Charter-Terminals. Am 05.04.1974
stiegen Fahrgäste an der doch recht provisorisch wirkenden Haltestelle Flughafen in den V7E
3366 (LHB, Baujahr 1957) ein, um nach 36 Minuten am Rathausmarkt
anzukommen. Die seit 2008 bis zum Flughafen verkehrende S-Bahn benötigt heute
bis zum Jungfernstieg 27 Minuten. Hinzu kommt ein Fußweg von ein bis zwei
Minuten bis zum Rathausmarkt.
In
Sichtweite der Start- und Landebahn hatte die Straßenbahn am Ende der
Zeppelinstraße und den Einmündungen von Flughafenstraße und Erdkampsweg ihren
Endpunkt. Wegen der Nähe zum Flughafen waren die Oberleitungsmasten im Bereich
der Schleife in rot-weiß lackiert. Bei
Dunkelheit leuchtete auf einem Mast ein Positionslicht. In der Schleife Erdkampsweg stand am 22.03.1974 der V6E 3648 (Falkenried, Baujahr 1952) abfahrbereit in Richtung
Innenstadt. Im Hintergrund sieht man den erwähnten Oberleitungsmast.
Mit
der Aufgabe des Straßenbahnbetriebs zum Flughafen am 26.05.1974 endeten hier
die Busse der Linie 109 und später weiterer Buslinien. Parallel zum
Flughafenzaun lag hier am 04.06.1983 der Bus HHA 1772 (DB O 305, Baujahr 1977, Serie 1765-1946) als Linie 109 an
der Haltestelle Erdkampsweg (West)
über. Im Hintergrund die ehemalige Straßenbahnschleife. Die Gleise sind
entfernt, der das Gleis ehemals umfassende Gehweg ist noch da. Genauso wie
heute nutzten auch damals Autofahrer jede freie Fläche zum Parken – ob erlaubt
oder nicht.
Der
Flughafen ist bis heute ein zentraler Anlaufpunkt für Taxen, die oft eine lange
Wartezeit in Kauf nehmen, um vermeintlich attraktive Fahrten zu erhalten. Zur mehrreihigen
Aufstellung nutzten die Taxen ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre den
ehemaligen Gleiskörper der Straßenbahn. Mit der Zeit kam es aber zu vermehrten
Behinderungen des Busverkehrs im Bereich Erdkampsweg (West), indem sich Taxen
in den Überliegebereich der Busse zurückstauten, insbesondere in den
Morgenstunden. Busse konnten nicht mehr einander überholen, die Busfahrer
mussten ihre Pausenzeiten unterbrechen, um den Bus umzurangieren. Ein Vorstoß
der HOCHBAHN 1993 bei der zuständigen Polizeirevierwache verbesserte die Lage
nicht, ja die Polizei ordnete für die Taxen sogar die Mitnutzung der
Überliegeplätze der Busse an, um so für den Individualverkehr Behinderungen im
Verkehrsfluss zu unterbinden. Der HVV zog die Konsequenzen, ab dem 25.09.1994 endeten
die Buslinien 39 und 172, 174, 292 nicht mehr hier, sondern am Flughafen in der
Nähe des damaligen Terminals 1. In den folgenden Jahren mussten sich die
Fahrgäste und das Personal - auch baustellenbedingt – immer wieder auf neue Abfahrts- und Überliegebereiche für die
Busse einstellen. Zuletzt gelangten die
Linienbusse wieder an den alten Endpunkt Erdkampsweg (West) zurück, der jetzt
natürlich nicht mehr so benannt wurde, weil er in einem völlig neuen Umfeld
lag. Im Bereich der ehemaligen Straßenbahnschleife steht heute das 2014 erbaute
Parkhaus 1. Dadurch verloren die Linienbusse hier ihre letzten Überliegeplätze
endgültig. Der Aufforderung des HVV, neue Überliegeplätze auszuweisen, kam die
Flughafen GmbH nicht nach. Im Dezember 2013 gab der HVV deswegen die über
Jahrzehnte bestehende Verkehrsanbindung des Flughafens zur U-Bahn in Alsterdorf
mit der Rücknahme der MetroBuslinie 26 auf.
Die
genannten Veränderungen betrafen die Verkehrsabwicklung im Oberflächenverkehr.
Aber viel tiefgreifender waren die baulichen Veränderungen, die ab Ende der
1970er-Jahre in Angriff genommen wurden, als sich abzeichnete, dass die Pläne
für einen neuen Flughafen bei Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein als Ersatz
für Fuhlsbüttel nicht umgesetzt werden würden. Im Laufe der folgenden
Jahrzehnte wandelte sich der Flughafen grundlegend, um so das wachsende
Fluggastaufkommen bewältigen zu können. Flugreisen wurden für immer mehr Bürger
erschwinglich.
Südlich
anschließend an das Gebäude von 1929 ging 1980 ein neues Abfertigungsgebäude
für den Inlandsverkehr in Betrieb. Für den Charterflugverkehr im Bereich der
ehemaligen Flugzeughalle B folgte 1982 ein mehrstöckiger Anbau. Hinzukamen
Investitionen in moderne Fluggastbrücken und in die Infrastruktur auf dem
weitläufigen Flughafengelände.
Um
den Flughafen besser an das Schnellbahnnetz anzuschließen, richtete der HVV ab
dem 29.05.1983 die Linie 110 als „HVV-Airport-Express“ ein, die tagsüber im
10-Minuten-Takt zwischen U/S Ohlsdorf und dem Flughafen verkehrte, zunächst „Non
Stop“ ohne Zwischenhalt. Die HHA setzte hier ihre sechs modernen S 80-Busse von
1979 ein. Einzelne S 80 waren auch Erprobungsträger für neue Anzeigetechniken.
Am 30.08.1983 näherte sich der S 80 1986 der Haltestelle Flughafen,
Inland, die vor dem 1980 fertiggestellten Abfertigungsgebäude lag. Die
Verkehrsanbindung des Flughafens erfolgte damals über zwei Zufahrtstraßen. Mit
dem S 80 1983 hat der HOV einen dieser wegweisenden Busse in seiner Sammlung.
Am
08.06.1986 präsentierte sich der
Flughafen mit Fahnenmasten und den von Grün umfassten Parkplätzen dem
Betrachter noch eher betulich. Der HHA-Bus
2147 (DB O 305, Baujahr 1980, Serie 2101-2194) hielt an der Haltestelle Flughafen „International/Berlin“,
allerdings behindert von einem ausländischen Pkw-Fahrer mit reichlich Gepäck.
Damals war Berlin noch geteilt, die Stadt unterstand dem Vier-Mächte-Status und
gehörte nicht zur Bundesrepublik. Der Flugverkehr nach West-Berlin führte über
die DDR auf Luftkorridoren und war nur ausländischen Fluggesellschaften
vorbehalten. Daher war die Abfertigung dem internationalen Bereich zugeordnet.
In
einer weiteren Ausbauphase von 1988 bis 1997 änderte der Flughafen erneut sein
Erscheinungsbild. Es entstand der heute als Terminal 2 und damals als Terminal
4 bezeichnete Abfertigungsbereich. Dazu kamen ein neues Parkhaus und 1995 sowie
1997 neue Brücken als Zuwegungen.
Der
Bau der lange umstrittenen sogenannten Ortsumgehung Fuhlsbüttel in den
1990er-Jahren führte zu einer Änderung der Verkehrsanbindung zugunsten des
Individualverkehrs. Am 30.08.1983
befuhr der HHA-Bus 1986 die
Zeppelinstraße, die später in der Ortsumgehung vollständig aufging. Im
Hintergrund befand sich früher der eigene Gleiskörper der Straßenbahn, der 1983
schon Teil des Flughafengeländes war.
Gewaltige
Erdbewegungen änderten immer wieder die Zufahrtsbedingungen für den
Autoverkehr. Am 26.01.1992 war der Jasper-Bus 42 (MB O 303) als Linie 110 auf der provisorischen Zeppelinstraße
unterwegs.
Am
26.06.1999 hielten die beiden
HOV-Museumsbusse 5702 (Magirus-Deutz
150 R/L 12, Baujahr 1967) und 6495
(DB O 321H, Baujahr 1955) vor dem alten Abfertigungsgebäude von 1929. Eine
Schilderbrücke und eine unmittelbar am Eingang beginnende Straßenrampe zum
Terminal 4 (2) zeugten von den bevorstehenden Änderungen, die auch Abbruch des
alten Gebäudes führten. Bis 2005 entstand das Terminal 1,
das optisch dem Terminal von 1993 entsprach und später noch die Verbindung
durch eine Shopping Plaza.
Am 29.11.2008, und damit kurz
vor der Eröffnung der Flughafen-S-Bahn, herrschte vor dem Terminal 1 noch reger
Linienbusverkehr, ohne Störung durch den Individualverkehr. Mit der
Betriebsaufnahme der S-Bahn verschwanden hier die Buslinien 110 und 172. An
diesem Tag hielten hier die Busse HHA
2815 (MB O 530, Baujahr 2008, Serie 2801-2829) und Jasper 8350 (MB O 405 N2, Baujahr 1998). Diese Buslinien dienten
auch der Verkehrserschließung der angrenzenden Wohnbereiche, einschließlich
einer Anbindung der U-Bahnhaltestelle Fuhlsbüttel (Linie 172). Die S-Bahn hat
keinen Haltepunkt innerhalb Fuhlsbüttels und kann diese Aufgaben nicht
ersetzen. Am rechten Bildrand sieht man die zwischenzeitlich eingetretenen
Änderungen im Flughafengelände – viel Beton. Bis heute erhalten blieb die
Bushaltestelle, die Fahrgästen zum Terminal 2 einen langen Fußweg zumutet. Die
in der Deckenverkleidung unverändert hausenden Tauben und deren
„Hinterlassenschaften“ am Boden wirken auf Touristen wenig einladend.
Text: Lutz Achilles / HOV