Bild des Monats Februar 2017
Hamburger
Busse mit einem zweiten (Einsatz-)Leben
Wenn der aktive Einsatz von Linienbussen in Hamburg
endet, sind diese überwiegend noch nicht reif für die Schrottpresse. Vor vierzig Jahren verkaufte die HOCHBAHN diese bereits
nach fünf bis sechs Jahren, weil größere Instandsetzungen anstanden oder es
galt, neue Standardlinienbusse zu beschaffen, um den Fahrgästen die Umstellung
von Straßenbahnlinien auf Busbetrieb als Komfortgewinn zu verkaufen. Da standen
dann fabrikneue Busse gegen rund 20 Jahre alte Straßenbahnen… Und tatsächlich
wiesen diese Busse einige Komfortmerkmale auf, die man im heutigen
„Citaro“-Zeitalter vermisst. Ältere Hamburger erinnern sicherlich noch den 1974
eingeführten „Flüsterbus“ mit besonders guter Motor-Geräuschdämmung und
Stadtbusse mit 44 übersichtlich angeordneten Sitzplätzen, wie sie 1968-1988
beschafft wurden - heute nur noch schwer vorstellbar. Der HOV hält mit seiner
Sammlung die Erinnerung an diese Zeiten wach.
Linienbusse
mit Hamburger Vergangenheit haben bis heute eine gute Marktgängigkeit. Einzelne Fahrzeuge gelangten
früher zu Privatunternehmern in Hamburg, die Auftragsverkehre für HOCHBAHN und
VHH durchführten. Die übrigen Busse kauften Händler gerne auf, weil sie noch
einen guten Wiederverkaufswert hatten. So gelangten sie zu Verkehrsunternehmen
in kleineren Städten und auf dem Land, sowie ins Ausland und begannen dort ihr
zweites (Einsatz-)Leben. Da die neuen Eigentümer oft noch einmal in die Technik
investierten und den Bussen eine neue Farbgebung gaben, erlebten diese so ihren
„zweiten Frühling“. Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an ihre
Einsatzzeit nach Hamburg.
Die 1990 gegründete „Omnibus Verkehrsgesellschaft
Güstrow (OVG)“ übernahm einige ehemalige VHH- und Orthmann-Busse vom Typ DB O
305 und O 307, sowie einzelne Reisebusse. Am 25.03.1992 stand auf dem ZOB
beim Bahnhof Güstrow der ehemalige VHH 7919 (DB O 305, Baujahr 1979) neben
einem Ikarus 280 der OVG, schon mit bundesdeutscher Zulassung. Zwischen
1973 und 2002 wurde dieser robuste Fahrzeugtyp in Ungarn produziert. In Güstrow
erfuhr der Hamburger 7919 kleinere Veränderungen. Der Mercedes-Stern wurde
allerdings in einer unpassenden Größe auf der Front nachgerüstet. Leider nur
schwer zu erkennen ist links der weitere kleine Spiegel gegen den toten Winkel.
Die kleinen Fahrtzielanzeigen am Wagen übernahm man von alten, ausgemusterten
Ikarus-Bussen, sie sind etwas gewöhnungsbedürftig. Der abgebildete VHH 7919
hatte eine interessante Vergangenheit. Er gehörte zu den nach dem Mauerfall vom
Bundespresseamt bei der VHH angemieteten Bussen, die, aufgestellt an einzelnen
Grenzübergangsstellen zur DDR, die DDR-Bürger mit Informationen über die
Bundesrepublik empfingen.
Bessere Verarbeitung, wirtschaftliche Überlegungen und
die nach der Abschaffung der Straßenbahn entfallende Notwendigkeit neue Busse
für weitere Umstellungen zu beschaffen, verlängerten deren Einsatzdauer auf
zunächst acht bis zehn Jahre. Heute verkehren Busse auch schon einmal 15 Jahre
und länger in Hamburg. So hatte der Ende 2002 durch den HOV von der HOCHBAHN
übernommene Wagen 2575 (MB O 405, Baujahr 1985, Erstzulassung 1986) bereits
fast 17 Jahre Einsatzzeit hinter sich und wurde aufgrund seines noch guten
Zustands zu einer Bereicherung für die Sammlung. Seit 2016 ist er mit
H-Kennzeichen wieder zugelassen. Umweltpolitische Überlegungen werden aktuell
wieder zu einer Verkürzung der Einsatzzeit führen.
Vor dem Fall der innerdeutschen Grenze verblieben
ausgemusterte Busse überwiegend in Westdeutschland. In der Ende 1998
eingestellten HOCHBAHN-Kundenzeitschrift "Fahr mit uns" fanden sich
aber immer wieder Meldungen über außerhalb Deutschlands angetroffene ehemalige
Hamburger Busse. Der Verfasser dieser Zeilen kann sich noch an Bilder aus der
"Tagesschau" Anfang der 1980er-Jahre erinnern, die durch die Straßen
Kabuls (Afghanistan) fahrende ehemalige HOCHBAHN-Stadtbusse vom Typ DB O
302-11R St (Baujahr 1967, Serie 6701-6790, später 1701-1790) zeigten, aber vom
Bürgerkrieg gezeichnet. Der HOV hat dem aus dieser Serie stammenden Wagen 6789
(1789) dieses Schicksal erspart. Zugleich erinnert dieser Bus an die letzte
Busbeschaffung der HOCHBAHN vor der Standardisierung. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf die HOV-Seite (www.hov-bus.de) verwiesen.
Der Privatunternehmer Dr. Richard aus Österreich, der
bis heute Buslinien im Auftrag der Wiener Linien sowie eigene im Großraum Wien
betreibt, übernahm in den 1960er und 1970er-Jahren mehrere hundert Busse aus
Hamburg, überwiegend ehemalige HOCHBAHN-Busse. Im Herbst 1983 fanden sich
einzelne noch im aktiven Fahrzeugbestand. Am 29.09.1983 standen die ehemaligen HOCHBAHN-Busse 5717 und 7727 (Magirus-Deutz 150 L 12 (Serie 5701-5719) bzw. 150 S 10 (Serie
7701-7733), jeweils Baujahr 1967) auf dem Betriebshof in Oberwart im südlichen Burgenland. Der HOV hat den 5702 in seiner
Sammlung.
Nach der Wende 1989 verschenkten oder verkauften
vergünstigt viele westdeutsche Verkehrsbetriebe ältere, aber noch gut erhaltene
DB O 305 an DDR-Verkehrsbetriebe. Der DB O 305 bedeutete in Punkto Fahrkomfort
und technischer Zuverlässigkeit eine Verbesserung im Vergleich zu den in der
ehemaligen DDR eingesetzten Ikarus-Einheitstypen mit ihrem lauten
Unterflurmotor und Schaltgetriebe. So gelangte auch eine Anzahl von Bussen
dieses Typs von Hamburg zur Partnerstadt Dresden, bis dort erkannt wurde, dass
der Nachfolgetyp MB O 405 viel moderner und auch günstig zu finanzieren war.
Der heute beim HOV erhaltene ehemalige Bus PVG 184 gehörte zu diesem von
Dresden nicht mehr abgerufenen Kontingent von O 305.
Am 30.03.1992
hielt der ehemalige VHH 7918 an der Haltestelle Eisenbahnstraße, gegenüber
dem großen Lichtspieltheater der Barlach-Stadt Güstrow, der "Schauburg". Während das Haltestellenschild
eindeutig der Nachwendezeit zuzuordnen ist, verbreitet das Straßenumfeld noch
DDR-Flair, einschließlich des Metall-Briefkastens der Deutschen Post (der DDR)
im Vordergrund. Der nicht geöffnete rechte Türflügel im Einstiegsbereich war
damals üblich. Am linken Spiegel ist
hier der schon erwähnte Zusatz-Spiegel gut zu erkennen. Nach der Wende
entwickelte sich im Beitrittsgebiet die Werbung an Verkehrsmitteln gut. Zu
DDR-Zeiten war diese nur selten anzutreffen. Oft wurden die Busse aber mit
Werbung für Autohäuser versehen, wie am oben gezeigten Ikarus-Bus, die die
Fahrgäste zum Umsteigen auf das Auto bewegen sollten. Mit Erfolg, in der
Folgezeit sanken die Nutzerzahlen des ÖPNV im Beitrittsgebiet flächendeckend.
Eine weitere „Hamburger Besonderheit“ war im Landkreis
Güstrow anzutreffen. Ab 1982 erschienen im Hamburger Stadtbild immer mehr
Fahrgastunterstände der Firma Decaux und lösten allmählich die früher von
HOCHBAHN und VHH mit eigenen Mitteln beschafften Fahrgastunterstände ab. Den ab
1976 durch die HOCHBAHN in Hamburg aufgestellten Unterständen vom Typ 15/15a
wies man zunächst noch neue Aufstellorte zu, z.B. auf dem Hauptfriedhof
Ohlsdorf. Neu war, dass die Unterstände dort ein Haltestellennamensschild
erhielten. Zu Beginn der 1990er-Jahre verdrängten neue Decaux-Unterstände diese
auch hier. Da sie noch gut erhalten waren, kaufte der Landkreis Güstrow eine
Anzahl der Fahrgastunterstände vom Typ 15/15a auf. Der am 23.03.1992 in Charlottenthal bei Güstrow aufgenommene Typ15-Fahrgastunterstand wies damals
noch einige Merkmale seiner Herkunft auf. Das Namensschild „Kapelle 1“ verrät
dessen letzten Standort auf dem Hauptfriedhof. Später gab es noch Nachbauten
dieses Typs.
Aus finanziellen Gründen übernahm der HOV früher Busse
erst nach ihrem (mindestens) zweiten Einsatzleben, dann entsprechend oft
technisch und optisch verbraucht. Deswegen warten viele ältere Busse des HOV
auch heute noch auf eine grundlegende Instandsetzung. Ideal ist natürlich die
Übernahme nach der direkten Einsatzzeit in Hamburg, aber nicht immer möglich.
Zur Abrundung der Sammlung gelangen so bis heute immer wieder „nahezu
verbrauchte“ Busse in den Bestand, die sich im Bundesgebiet noch finden. Die
Öffnung der Grenzen nach Osten führte aber auch dazu, dass viele Hamburger
Busse ihren Weg in Länder des ehemaligen Ostblocks fanden und dort vollkommen
verschlissen wurden oder Veränderungen erfuhren, die eine spätere Rückführung
nicht mehr vertretbar erscheinen lassen.
Auf einem Firmengelände in Lübesse bei Schwerin,
günstig zur A 24 gelegen, wurden vor Jahren ehemalige HOCHBAHN-Busse, aber auch
andere Busse aus dem Bundesgebiet, für ihren Transport nach Russland
vorbereitet. Vermutlich aus zollrechtlichen Gründen hatte die Einfuhr in
„Einzelteilen“ zu erfolgen. Deswegen wurden Achsen, Motor und Getriebe
ausgebaut und separat transportiert. Das galt auch für das von der Technik
entkernte Fahrzeugchassis. Am 30.07.2010
wurden die mit sehr wenig robust wirkenden Wagenhebern auf unbefestigtem
Untergrund aufgeständerten ehemaligen HOCHBAHN-Schnellbusse links 6576 und rechts 6558 (MB O 405 N1, Baujahr 1994, Serie 6501-6584) für den Transport
nach Russland vorbereitet. Der Wagen 6576 verlor bereits seinen Motor.
Die Achse war am 30.07.2010
beim ehemaligen HOCHBAHN-Bus 6506
bereits ausgebaut.
Auf den Weitertransport nach Russland warteten am 12.02.2010 im winterlichen Lübesse die
„entkernten“ ehemaligen HOCHBAHN-Busse links 6523 und rechts 6520.
Oft gelangte ein Bus mit noch nicht gelöschter Werbung
nach Russland, wie hier am 04.12.2009
der ehemalige HOCHBAHN-Schnellbus 6518.
Bei der freundlich lächelnden Dame handelte es sich um damals „Hamburgs älteste
Internetsurferin“. Dem Verfasser dieser Zeilen war Frau Palusinski, geb.
Flemming persönlich bekannt. Sie wurde 102 Jahre alt.
Ein HOV-Mitglied traf am 23.06.2010 den ehemaligen HOCHBAHN-Schnellbus 6518 an seinem neuen Einsatzort im russischen Perm an. Der Bus war auf einer sogenannten „schwarzen Linie“
unterwegs. Offiziell nutzen durften nur diese nur Abonnenten des
Busbetriebs, tatsächlich gab es auch
Einzelkarten zu kaufen. Parallel zu dieser Linie verkehrte auch eine „gelbe
Linie“ für Jedermann. Die Busse der schwarzen Linie hatten geringere
Benutzerzahlen und waren dadurch schneller. Die Werbung am 6518 ist entfernt,
der HOCHBAHN-Schriftzug an den Türflügeln geblieben. Neu sind die
Scheibengardinen im oberen Bereich der Fenster. Die moderne Fahrzielanzeige war
aber außer Betrieb, man behalf sich mit den „guten alten“ Steckschildern. Der
HOV erhält mit dem Wagen 6502 ein Exemplar dieses ersten Schnellbustyps in
Niederflurausführung.
Ebenfalls nach Perm
in Russland gelangte der ehemalige PVG-Bus
9957 (MB O 405 N2, Baujahr 1999), der in Hamburg vorzeitig ausgemustert
wurde. Am 22.06.2010 war der Bus noch
nicht einsatzbereit, weil ihm die Technik noch fehlte.
Fotos von ehemaligen Hamburger Bussen im Ausland finden sich auch im HOV-Fotoalbum auf der bekannten HOV-Seite und Informationen zum Verbleib unter www.hamburger-fuhrparklisten.de .
Text: Lutz Achilles / HOV