Bild des Monats Juli 2017

 

 

Hamburgs U-Bahn fuhr auf Kunst ab

 

Kunst im Umfeld der Hamburger U-Bahn ist heute noch allgegenwärtig. Damit ist nicht die sogenannte „Graffiti-Kunst“ gemeint, die oft den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Die HOCHBAHN verfolgt hier seit Jahren – im Gegensatz zur Deutschen Bahn und der S-Bahn Hamburg – eine erfolgreiche Null-Toleranz-Strategie und zieht derart beschädigte Bahnen sofort aus dem Verkehr und beseitigt schnellstmöglich entsprechende Bemalungen in den Haltestellen. In den 1960er-Jahren erweiterte Hamburg das U-Bahn-Netz. Für die Haltestellen gab es ein besonderes Budget, um damit Kunst in den Haltestellen zu finanzieren.

 

 

So findet man bis heute in verschiedenen Haltestellen farbige Mosaike und in der Haltestelle Farmsen seit 1961 am Zugang August-Krogmann-Straße ein Betonrelief des bekannten Künstlers Horst Janssen (1929 – 1995), hier am 11.07.2017. Vielleicht ist Ihnen das beim Umstieg auf den Bus schon einmal aufgefallen? Aber es verschwand zwischenzeitlich auch Kunst, so z.B. der Trinkwasserbrunnen auf dem Bahnsteig der U1 in der Haltstelle Hauptbahnhof-Süd, der zuletzt einzelnen Fahr“gästen“ als Müllabladefläche diente. Bis heute noch zu erkennen ist die Tunnelwandbemalung zwischen Emilienstraße und Osterstraße, gestaltet von Wolfgang Berkowski. Mit Unterstützung der Kulturbehörde können die Fahrgäste dort seit Juni 1986 auf rund 500 Metern ein 1 Meter breites „dynamisches Wandbild“ erleben. 

 

1987 feierte die HOCHBAHN das 75-jährige Bestehen der U-Bahn und die Verantwortlichen zeigten Mut. Hamburger Morgenpost und HOCHBAHN führten eine gemeinsame Kunstaktion durch. Mit „Hamburgs U-Bahn fährt auf Kunst ab“ informierte die HOCHBAHN am 04.09.1987 in einer Pressemitteilung über das Vorhaben. Für ein Jahr mietete die MORGENPOST die Außenflächen von 55 U-Bahnwagen und überließ diese 21 Künstlerinnen aus 12 Städten – von Hamburg bis New York – zur freien Gestaltung. Mit unserem Bild des Monats erinnern wir an dieses Projekt. Am 23.10.1988 verließ die von Brigitta Borchert gestaltete DT3-Einheit 9777-75 die Haltestelle Volksdorf in Richtung südliche Kehranlage. Auf den Wagen fanden sich sechs pop-artige (leicht bekleidete) Monumentalfiguren. Wir verzichten auf Detailaufnahmen, weil die Darstellung möglicherweise nicht „facebook-tauglich“ wäre. 

 

 

Die Aktion wurde von einer großen publizistischen Kampagne begleitet. Tagtäglich erschienen in der Zeitung Artikel mit Hintergrundinformationen über die beteiligten Künstlerinnen. Auch auf Plakatwänden mit 18/1-Bogen warb man für die Aktion, so auch am 28.11.1987 auf der Haltestelle Wartenau. Die Vorstellung der bemalten Bahnen fand am 12.09.1987 in der Hauptwerkstatt  Barmbek zusammen mit den Künstlerinnen in Gegenwart des Kultursenators und Zweiten Bürgermeisters Ingo von Münch statt.

 

 

Als „Atelier“ dienten die für diesen Zweck überdachten Gleise 15 und 16 der Abstellanlage Hagenbecks Tierpark. Die Hauptwerkstatt hatte die Fensterscheiben der für die Aktion vorgesehenen 5x DT2 und 15x DT3 vorher mit einer Schutzschicht versehen. Das Finish der bemalten Wagen übernahm dann wieder die Malerwerkstatt in Barmbek, dabei wurden über die vorgesehene Fläche hinausgehende Bemalungen wieder entfernt. Die einzelnen Kunstwerke überzog man mit einem Schutzlack, damit bei der Nutzung der Waschanlage in Farmsen keine Schäden an der Außenbemalung entstanden. Am 02.09.1987 war Ursel Frank mit der Bemalung des DT2 9195 schon weit vorangeschritten.   

 

Folgende U-Bahnen wurden zu Kunstbahnen von folgenden Künstlerinnen gestaltet:

 

DT2

9194/95             Ursel Frank (Frankfurt/M.)

9238/39             Jenny Holzer (New York / USA)

9310/11             Ulrike Geitel (Hamburg)

9326/27             Carola Scheil (Berlin/W.)

9346/47             Renate Kirchheim, Monika Ratering (Bremen)

 

DT3

9627/28/29        Eva Ohlow (Köln)

9666/67/68        Elsbeth Arlt (Maasbüll bei Flensburg)

9690/91/92        Beate Spalthoff (Berlin/W.)

9715/16/17        Sina Hofmann (Aschaffenburg)

9718/19/20        Sabina Wörner (Düsseldorf)

9760/61/62        Ingeborg zu Schleswig-Holstein (Hamburg)

9772/73/74        Gudrun Differenz (Frankfurt/M.)

9775/76/77        Brigitte Borchert (Molfsee bei Kiel)

9800/01/02        Betty Levens (Frankfurt/M.)

9818/19/20        Heidrun Borgwardt (Rammsee bei Kiel)

9848/49/50        Gundel Bindernagel (Hamburg)

9860/61/62        Joanna Jones (Frankfurt/M.)

9915/16/17        Renate Anger (Berlin/W.)

9954/55/56        Bettina Semmer (Hamburg)

9969/70/71        Fides Becker (Rotterdam / Niederlande)

 

 

 

Einige Künstlerinnen übertrugen ihre Werke nach Vorlage auf die U-Bahnwagen, wie hier am 02.09.1987 die beiden Bremerinnen Kirchheim und Ratering beim DT2 9347.

 

 

Dagegen setzte Elsbeth Arlt anscheinend mehr auf Spontanität. „Manchmal mache ich auch nur die Farbpötte leer“, so wird sie in der MORGENPOST vom 06.09.1987 zitiert. Diese Aussage setzte sie auch bei der ihr zugeteilten DT3-Einheit um. Am 20.09.1987 hielt der so gestaltete DT3 9667 in der Haltestelle Kellinghusenstraße.

 

 

Das Ergebnis hinterließ in der Abstellanlage an den Betriebsanlagen entsprechende Farbspuren – und löste keine Begeisterung im Hochbahn-Haus aus. Am 22.08.1987 waren auf Gleis 16 noch deutlich die Spuren vom Standort des DT3 9668-66 zu sehen. 

 

 

Betrieblich sollten die Fahrgastzüge nach Möglichkeit aus zwei Kunstbahnen gebildet werden. Damals bestanden die Züge außerhalb der HVZ in der Regel aus 2x DT3 oder auch nur 1x DT3 (U1) und 2x DT2 (U2 und U3). Insbesondere auf der Linie U1 war diese Vorgabe anspruchsvoll, weil tagsüber die Züge auch noch regelmäßig in der Haltestelle Volksdorf um eine DT3-Einheit geschwächt bzw. verstärkt wurde. Auf den Linien U2 und U3 war die Zugbildung einfacher. Am 06.05.1988 hielten die DT2 9195/94 mit 9327 in der Haltestelle Legienstraße am Bahnsteig I. Im Bereich dieser Haltestelle sind die beiden Bahnsteige weit auseinandergezogen. Die Fläche dazwischen war seit der Eröffnung 1967 schon für eine spätere betriebliche Nutzung vorgesehen. Voraussichtlich im Frühjahr 2019 wird die HOCHBAHN die Betriebswerkstatt Billstedt östlich der Brücke Legienstraße in Betrieb nehmen. In der Sichtachse zwischen den beiden Bahnsteigen werden dann weitere Betriebsgleise liegen.

 

Die zunächst auf ein Jahr angelegte Aktion ging für einige U-Bahnwagen in die Verlängerung, weil erst im Frühjahr 1989 von den letzten Wagen die Bemalung entfernt wurde. Damit einher ging auch eine Neulackierung der Türen. Bei der 1988 in 809 umgezeichneten DT3-Einheit 9627/28/29 lackierte man auf der Außenseite die senkrechten Aluleisten der Türen mit. Dieser Türensatz gelangte später zur DT3-Einheit 803, die derzeit zur Aufarbeitung in Berlin weilt. Dabei dürfte diese Besonderheit wieder verschwinden. 

 

 

Wohl als Reaktion auf die MORGENPOST-Aktion zog der Springer-Konzern mit seiner „BILD“ nach und mietete für ebenfalls ein Jahr die Werbeflächen von 16 der 1987 gebauten Mercedes-Benz O 405 G der HOCHBAHN an. Als Künstler durften sich hier Kinder und Schulklassen ab Oktober 1987 auf den Bussen 7708, 7718-7723, 7725, 7729-7730, 7741, 7743-7744, 7746, 7749-7750 verewigen. Ein schönes Zusatzgeschäft für die damalige HOCHBAHN-Tochtergesellschaft Hamburger Verkehrsmittel Werbung GmbH in deren Jubiläumsjahr. Um die Busse geschützt bemalen zu können, baute man auf einer Nebenfläche der Horner Rennbahn ein großes Zelt auf. Am 25.10.1987 wurde der Gelenkbus 7744 hier zu einem „BILD-Kinderbus“.

Text: Lutz Achilles / HOV


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