Bild des Monats September 2017
Erinnerungen an den Alsterring (Linie
18)
Am
diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“, einer seit Jahren bundesweit
durchgeführten Veranstaltung mit jährlich viel Zuspruch, nimmt auch der HOV
teil. Am 10.09.2017 werden wir mit einem historischen Bus Rundfahrten um die
Außen- und Binnenalster durchführen und damit an den von der Straßenbahnlinie
18 befahrenen Alsterring erinnern. Grund genug, mit unserem „Bild des Monats“
an diese Verkehrsverbindung zu erinnern. Kurz vor Aufgabe des Alsterrings im Mai 1954 hielt am Eppendorfer Marktplatz der 1951 bei Falkenried gebaute V6-Triebwagen 3085 (ab 1959 3023; ab 1967 V6E 3623) mit einem V6B-Beiwagen in Richtung Winterhuder
Marktplatz.
Ringlinien
im Oberflächenverkehr gab es früher in vielen deutschen Städten, so auch in
Hamburg. Sie ergänzen optimal das Netz aus meist auf die Innenstadt
ausgerichteten Radiallinien und bieten vielfältige und für den Fahrgast
zeitlich vorteilhafte Umsteigebeziehungen, die so auch die Radiallinien
entlasten. Eine günstige Taktdichte ist hier aber Voraussetzung. Nachteilig im
Ringverkehr ist, dass es keinen genau definierten Streckenendpunkt gibt, der
erlaubt, durch einen Zeitpuffer Verspätungen aufzuholen oder dem Personal
Pausen zu gewähren. Die Verkehrsunternehmen fanden hierfür aber Lösungen, so
auch in Hamburg. Bei der Hamburger Straßenbahn gab es auf den Linien 18, 19,
26, 27 und 29 zumindest zeitweise und in verschiedenen Zeitabschnitten
Ringverkehr.
Auch
bei den Schnellbahnen findet man
Ringverkehr, aber selten. Im vereinten Berlin gibt es heute wieder den
S-Bahn-Ring. Hamburg hatte bereits 1912 seinen U-Bahn-Ring. Mit der
Verlängerung der U-Bahnstrecke in Richtung Horn entstanden 1967 feste
Linienverbindungen bei der Hamburger U-Bahn, der Ring verschwand aus den
Netzdarstellungen. Betrieblich verknüpfte man zeitweise die Linien U2 und U3,
so dass es weiter einen auf zwei Linien
verteilten Ringverkehr gab. Seit 2009 gibt es mit der Linie U3 offiziell wieder
den U-Bahn-Ring, wie er von den Vorvätern erdacht wurde.
Mit
unserem „Bild des Monats“ erinnern wir an die Linie 18, die den Hamburgern über
Jahrzehnte mit dem Alsterring eine Verbindung von Winterhude über Uhlenhorst -
Hauptbahnhof – Rathausmarkt – Rotherbaum – Eppendorf nach Winterhude -
und in der Gegenrichtung – mit einer Fahrzeit von tagsüber 51 und abends
45 Minuten bot. Heute müsste der Fahrgast die Buslinien M25, M6, Schnellbus 34,
M20 und erneut M25 nutzen, um den früher von der Straßenbahn befahrenen
Alsterring abzufahren. Die reine Fahrzeit des Busses würde tagsüber 60 Minuten
betragen, ohne Umsteigezeit. Zur „Ehrenrettung“ des Busses sei angemerkt, dass
bei der Straßenbahn damals Schaffner die Fahrkarten verkauften, heute muss der
Busfahrer auch das oft zeitintensive Zahlgeschäft abwickeln. Dieser Wert zeigt
aber auch, dass die Reisegeschwindigkeit durch den Individualverkehr negativ
beeinflusst wird – ein tagtägliches Erlebnis des ÖPNV-Nutzers in Hamburg. 1954
war der Autoverkehr, im Verhältnis des Aufkommens zu heute eher als gering
anzusehen, die Ursache für zunehmende Verspätungen im Ringverkehr und ein Grund
für die Aufgabe des Alsterrings. Für
viele Touristen wäre ein heute durchgehend betriebener Alsterring zum HVV-Tarif
attraktiv – sicherlich zum Leidwesen der privaten Rundfahrtunternehmen.
Die
Übersicht zeigt den Streckenverlauf mit den im Winterfahrplan 1953/54 bedienten
Haltestellen. Interessant ist die Haltestelle im Bereich Hudtwalckerstraße /
Winterhuder Fährhaus, die eine Anbindung an die Alsterdampferlinie „Gelbe
Flagge“ (später Linie 851/51) erlaubte. Bei der heutigen Verkehrslage in der
Hudtwalckerstraße undenkbar. Tagsüber wurde auf dem Innen- und Außenring im 7
½-Minuten-Takt gefahren, abends bestand ein 15-Minuten-Takt.
Nachfolgend
stellen wir die Geschichte des Alsterrings tabellarisch, aber gekürzt dar. Die
Streckenführung im Uhrzeigersinn wurde als Innenring bezeichnet, die
Gegenrichtung Außenring. Die Geschichte begann noch zur Zeit der Pferdebahn.
1880 |
Pferdebahnlinie Pferdemarkt (heute Gerhart-Hauptmann-Platz) –
Lilienstraße – Breite Straße – Georgsplatz - Ernst-Merck-Straße – Lange Reihe
– Buchtstraße – Barcastraße -
Mundsburger Brücke – Papenhuder Straße – Hofweg – Mühlenkamp – Langer
Kamp – Winterhude, Dorotheenstraße |
1880 |
Pferdebahnlinie Stephansplatz – Dammtor –
Rothenbaumchaussee – Eppendorfer Baum - Eppendorfer Landstraße –
Hudtwalckerstraße – Winterhuder Marktplatz - Winterhude, Dorotheenstraße (ab 1883 ab Rathausmarkt) |
1883 |
Verbindung der beiden
Pferdebahnlinien über Rathausmarkt – Hermannstraße – Ferdinandstraße zum ALSTERRING |
1894 |
Elektrischer Betrieb
zunächst Rathausmarkt – Rotherbaum – Eppendorfer Baum |
1895 |
Elektrischer Betrieb auf
dem gesamten Alsterring |
1900 |
Einführung von
Liniennummern – Großer Alsterring wird
Linie 18 (Linie 19 über Mittelweg = Kleiner Alsterring) |
1919 |
Geänderte Streckenführung
in Winterhude – nun Mühlenkamp - Goldbekplatz – Poßmoorweg – Dorotheenstraße |
1920 |
Endhaltestelle Winterhuder
Marktplatz – Alsterring aufgelöst |
1925 |
Wieder Alsterring |
1926 |
Wegen Bau der
„Kell-Jung-Linie“ Umleitung über Grindelallee – Isestraße – Lehmweg |
Die Beschilderung am Z2-Triebwagen zeigt, dass der Zug
damals (1926/27) umleitungsbedingt ab
Stephansplatz nicht über die
Rothenbaumchaussee, sondern über die Grindelallee fuhr. Auch ist gut das
Dachzeichen für die Linie 18 zu erkennen. 1936 verschwanden die Dachzeichen bei
der Hamburger Straßenbahn.
1927 |
Wegen U-Bahn-Bau geänderte
Umleitung, nun über Mittelweg- Hallerstraße – Rothenbaumchaussee |
1928 |
Alsterring wieder über
Rothenbaumchaussee |
Über
den Jungfernstieg mit seinen
prachtvollen Hausfassaden bewegte sich in der ersten Hälfte der 1930er ein V2-Zug
in zügiger Fahrt. Im Hintergrund ist ein damals auf der Buslinie F der HHA
anzutreffender Doppeldeckbus und die Baustelle der „Kell-Jung-Linie“ zu
erkennen.
1943 |
Ab 25.07.1943
kriegsbedingt eingestellt – danach Teilbetrieb auf einzelnen Strecken, ab
19.10.1943 wieder Alsterring, danach wieder kriegsbedingt erneut Teilbetriebe |
1947 |
Wieder Alsterring |
1954 |
Ab 04.05.1954 Alsterring
endgültig aufgelöst |
Auf
dem Alsterring konnten die Fahrgäste im Laufe der Jahrzehnte die gesamte
Palette verschiedener Straßenbahnwagentypen kennenlernen. Prägend waren aber
die ab 1928 bei Falkenried gebauten V2-Züge mit den elegant wirkenden
vierachsigen Trieb- und Beiwagen. In den letzten Jahren des Alsterrings
gelangten dort zunehmend auch die damals modernen V6-Großraumzüge zum Einsatz.
Die Betriebshöfe Dorotheenstraße/Krohnskamp stellten für den Außenring und
Lehmweg für den Innenring der Linie 18 die Wagen. Zeitweise tauschten die
Betriebshöfe das Einsatzgebiet. Auf dem mittlerweile für den Personenverkehr
aufgegebenen Betriebshof Dorotheenstraße stellte Krohnskamp tagsüber zwei
Verstärkungszüge bereit. Diese kamen in den Einsatz, sofern die örtliche
Aufsicht erkennen konnte (Funk gab es noch nicht), dass der Planzug sich verspätete
und seine zweiminütige Pause an der Haltestelle Betriebshof Dorotheenstraße
nicht würde einhalten können.
1954,
im Jahr des 60-jährigen Bestehens des elektrischen Betriebs der Hamburger
Straßenbahn, ordnete die HHA ihr Straßenbahnnetz neu. Die Linie 18 erhielt am
04.05.1954 mit Groß Borstel (vorher Linie 14) und Winterhude, Lattenkamp zwei
Endpunkte. In diesem Zusammenhang baute die HHA die Gleisanlagen am Eppendorfer
Marktplatz um. Das Ende dieser Straßenbahnlinie 18 ist schnell erzählt (s. a.
„Bild des Monats“ April 2014). Zu Beginn der 1960er begann der Abbau des
östlichen Straßenbahnnetzes. Für die früher nach Wandsbek fahrende
Straßenbahnlinie 3 fand sich ab 02.10.1960 Lattenkamp als neuer Endpunkt, die
Linie 18 begann nun ab Goldbekplatz. Die bisher nach Farmsen verkehrende
Straßenbahnlinie 16 wurde ab 28.04.1963 nach Winterhude umgelegt, die Linie 18
begann nun in der neu errichteten ZOB-Schleife – heute findet man hier den
„Elektro-Port“ der HOCHBAHN. Am anderen Streckenende übernahm am 22.05.1966 die
Buslinie 54 (heute 114) den Streckenabschnitt Eppendorf – Groß Borstel und
beschränkte so die Linie 18 auf den Abschnitt Eppendorf (Markt) –
Hauptbahnhof/ZOB. Ab dem 29.09.1968 wurde der Rathausmarkt neuer ständiger
Endpunkt der Linie 18. Unter Hinweis auf den Parallelverkehr mit der Linie U1 –
der über Jahrzehnte schon bestand – sah der HVV die Straßenbahnlinie mit Beginn
des Sommerfahrplans 1969 zum 01.06.1969 als entbehrlich an. Sie wurde dennoch
zwischen Dammtor und Klosterstern (und weiter zum UKH Eppendorf) durch eine
neue Buslinie 104 über Rothenbaumchaussee im 20-Minuten-Takt und mit dem wenig
attraktiven Endpunkt Bf. Dammtor/Moorweide ersetzt.
Die
letzte Fahrt von Eppendorf nach Rathausmarkt führte in der Nacht zum 01.06.1969 der V6E
3567 durch. Das Foto zeigt den Triebwagen (noch nicht umgeschildert) am
Beginn seiner Fahrt in der (Kleinen)
Eppendorfer Landstraße, bevor er ab Rathausmarkt zum Betriebshof Lokstedt
aussetzte.
Am 10.09.2017 wird der HOV
Sonderfahrten durchführen, die an die Streckenführung der Linie 18 erinnern –
siehe auch unter „Events“.
Text: Lutz Achilles / HOV