Bild des Monats Februar 2018

 

 

Wieder fallen Masten

 

Ein aktuelles Motiv und kein historisches Foto als Motiv für unser Bild des Monats? Ja, aber mit einem Bezug zur Vergangenheit. Am 08.01.2018 befuhr der HOCHBAHN-Bus 1509 (MAN NL 283, Serie 1501-1510, Baujahr 2015) auf der Linie 118 einen Teil der Alsterdorfer Straße. Bis 1974 verkehrte hier die Straßenbahnlinie 9 zum Flughafen, der 118er ist heute die sechste Nachfolgebuslinie zur Straßenbahn. Am Straßenrand liegt ein Lichtmast. Beim Niederlegen ist das an der Mastspitze sitzende Krönchen abgefallen. Trotz des eher niedlich und leicht wirkenden Namens hat so ein „Krönchen“ ein beachtliches Eigengewicht.

 

An diesem Tag und den Folgewochen fanden hier Bauarbeiten statt. Die für die öffentliche Straßenbeleuchtung zuständige städtische Tochter Hamburger Verkehrsanlagen GmbH erneuert seit Dezember 2017 in diesem Bereich die Straßenbeleuchtung. Die von 1950 stammenden Lichtmasten, mit dem über der Straße mittig hängenden Lampenkörper, haben nach fast 70 Jahren ihre technische Einsatzzeit erreicht. Als Ersatz dienen künftig moderne Peitschenmasten mit LED-Beleuchtung, die nur 20 v.H. des bisherigen Energiebedarfs der nun ersetzten Leuchtstoffröhren benötigen. Die Straße wird künftig von der Seite aus beleuchtet, früher verteilte sich das Licht auf beide Fahrstreifen gleichmäßig. Wie sich die Beleuchtungsverhältnisse künftig ändern, wenn die Kronen der Straßenbäume belaubt sind, wird sich erweisen. Aber was haben Lichtmasten mit den vom HOV in dieser Rubrik angesprochenen Themen zur Hamburger Nahverkehrsgeschichte zu tun?

 

 

Diese an vielen Stellen in Hamburg – mittlerweile immer weniger – zu findenden sechseckigen Lichtmasten hatten früher eine Doppelfunktion. In etwa sieben Meter Höhe konnte die HOCHBAHN hier für ihre Straßenbahnstrecken die Abspanndrähte für den Fahrdraht befestigen. Wie das früher aussah, gibt die um 1950 entstandene Aufnahme von der Hamburger Straße eindrucksvoll wieder. Trotz schwerer Zerstörungen im II. Weltkrieg verlief hier wieder eine stark nachgefragte Verkehrsachse der Straßenbahn von der Innenstadt mit der Linie 6 nach Ohlsdorf und der Linie 9 nach Bramfeld. Entlang dieses Streckenabschnitts fanden Lichtmasten in Betonbauweise Verwendung. Die auch hier mittig über der Straße hängende Straßenbeleuchtung war noch nicht auf Leuchtstoffröhren umgestellt, so dass die links zu erkennende Leuchtschrift der Vereinsbank wertvolles Zusatzlicht spendete. Der Abstand zwischen den einzelnen Lichtmastpaaren genügte, um die Fahrleitung hier ohne weitere Zwischenmasten aufzuhängen. Im Bereich der Alsterdorfer Straße musste die HOCHBAHN noch weitere Masten nur für die Fahrleitung aufstellen, um so deren sicheren Verlauf zu ermöglichen. Diese standen im Wechsel mit den Lichtmasten. Für den bis zuletzt bei der Hamburger Straßenbahn in Benutzung befindlichen Stangenstromabnehmer war eine exakte Aufhängung der Fahrleitung Voraussetzung für einen störungsfreien Betrieb.

 

Am 01.10.2018 jährt sich die Stilllegung der Hamburger Straßenbahn zum vierzigsten Mal. Das allmähliche Verschwinden dieser Lichtmasten erschwert immer mehr das Erinnern an das einst 186 km umfassende Streckennetz der Straßenbahn. Bis heute gelang es nicht, trotz immer wieder hoffnungsvoller Ansätze, die Straßenbahn in Hamburg als leistungsfähige moderne Stadtbahn wieder einzuführen. Für viele Bürger überraschend, zeigten hier viele Abgeordnete eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit in ihrem Abstimmungsverhalten. 

 

Aber es gibt sie weiter, die Erinnerungsstücke an die Straßenbahn. Auch künftig werden Bauarbeiter immer wieder auf schon seit Jahrzehnten unter einer (oder mehrerer!) Asphaltschichten liegende Straßenbahngleise stoßen. Aber auch über den Köpfen vieler Passanten gibt es sie – Fahrleitungsrosetten an Hausfassaden. Wenn das Straßenprofil die Aufstellung von Masten nicht erlaubte, wurden die (gedämmten) Abspanndrähte mit einfachen Schraubhaken oder eben Rosetten an den Hauswänden in etwa sieben Metern Höhe befestigt. Für die Hauseigentümer gab es eine Nutzungsentschädigung.

 

 

Wie das Foto zeigt, halten Hauseigentümer viele Rosetten bis heute in einem guten Zustand. Im Bild von links nach rechts (in Klammern Straßenbahnbetrieb bis / letzte Straßenbahnlinie):

Fruchtallee 25 (Juli 1943 / 33)  

Alsterdorfer Straße 26 (Mai 1977 / 1 und 14)

Schulterblatt 13 – (Okt 1972 Betriebsstrecke; Sept 1967 / 14)

Einzelne Verkehrsfreunde sind besonders engagiert und bergen Fahrleitungsrosetten von Abbruchhäusern, restaurieren diese und hängen sie mit Unterstützern an anderen Orten in Hamburg wieder auf.

 

 

In der Königstraße in Altona stehen noch fünf 1896 aufgestellte Fahrleitungsmasten der Hamburger-Altonaer Centralbahn, die bereits am 31.12.1922 ihren Betrieb einstellte. Diese verzierten Masten stehen heute unter Denkmalschutz und wurden mit Unterstützung der Freunde der Denkmalpflege 2005 restauriert. Durch die Luftschadstoffe des Autoverkehrs und aufgrund der Witterung zeigen sich diese dem Betrachter heute wieder verschmutzt.

 

Aber es lohnt sich, als Fußgänger gelegentlich den Blick in eine Höhe von ca. sieben Metern zu richten. Es warten auf Sie so manche sehenswerte Hausfassade und die eine oder andere Fahrleitungsrosette…

 

Text: Lutz Achilles / HOV


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