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2009
1979 – 2009 -
30 Jahre Gelenkbusse in Hamburg
Im
Laufe der Jahrzehnte hatten die Omnibusfahrgäste in Hamburg schon einiges
erlebt: Eindeckomnibusse verschiedener Fabrikate, Doppeldeckomnibusse wie in Berlin,
Anhängerbetrieb mit Omnibuszügen. Der aus vielen Städten der Bundesrepublik
bekannte Einsatz von Gelenkomnibussen war jedoch bis Ende der 1970er-Jahre in
Hamburg gänzlich unbekannt.
Nach Stilllegung der letzten Hamburger Straßenbahnlinie und
deren Ersatz durch die Omnibuslinie 102 zum 01.10.1978 waren die auch schon zu
Zeiten der Straßenbahn hohen Fahrgastzahlen in kurzer Zeit um 20 Prozent
gestiegen. In den Hauptverkehrszeiten verkehrten die Busse im 3-Minuten-Takt.
Wegen Lieferschwierigkeiten des Herstellers standen der HHA zum
Umstellungszeitpunkt der Straßenbahn die bestellten Schubgelenkbusse noch nicht
zur Verfügung. Die Betriebsabwicklung musste deswegen noch mit den Daimler Benz
O 305 in 11 m-Ausführung abgewickelt werden.
Herkömmliche Gelenkbusse hatten den Motor unter dem
Fußboden liegend im Vorderwagen eingebaut. Der hinter dem Gelenk liegende
Nachläufer wurde nur gezogen. Bei höherer Fahrgeschwindigkeit traten hier für
die Fahrgäste unangenehme Schlingerbewegungen auf. Eine grundlegende
Neukonstruktion dieses Fahrzeugtyps war also unvermeindlich.
Mit Förderung des Bundesministeriums für Forschung und
Technologie (BMFT) entwickelte die HHA-Tochter Fahrzeugwerkstätten Falkenried
GmbH (FFG) den ersten Schubgelenkbus der Welt. Wie bei Standardlinienbussen
üblich, wurde der Motor hierzu im Heck des Nachläufers angeordnet. Um das
Fahrzeug sicher führen zu können, war eine vollständige Neukonstruktion
des Gelenkes zwischen Vorderwagen und Nachläufer notwendig. Die durch FFG
entwickelte CMOS-Logik-Knickwinkelsteuerung mit dem auf der Basis des
Mikroprozessors TMS 9900 von Texas-Instruments arbeitenden Mikro-Computersystem
FTI 990-30-E erlaubt eine geregelte Übertragung der Schubkraft auf das gesamte
Fahrzeug. Die Technik verhindert ein Schlingern des Hinterwagens und dessen
Ausbrechen bei ungünstiger Straßenlage. HHA und FFG stellten 1975 diese
Konstruktion in einem Niederflur-Schubgelenkbus der Öffentlichkeit vor. Dieses
Fahrzeug erhielt die Wagennummer 1981. Es folgte eine jahrelange Erprobungsphase
in verschiedenen Städten und Ländern, die den Bus bis in die USA führte.
Hamburger konnten das Fahrgefühl mit diesem Wagen auf der Linie 117 zwischen U
Alsterdorf und U Wandsbek Markt erleben.
Die im Omnibusbau grundlegende Neuerung der Knickwinkelsteuerung
übernahm Daimler-Benz in Lizenz und entwickelte hieraus den
Standard-Schubgelenkbus, der auf den beim DB O 305 bewährten Komponenten
aufbaute. Aus den beiden HHA-Wagen 1768 und 1769 entstand so 1977 in Hamburg
der erste DB O 305 G.
Mitten im für Hamburger Verhältnisse ungewöhnlich
schneereichen Winter 1978/79 begann die Auslieferung der 25 bestellten DB O 305
G (Wagen 7001 – 7025). Die Wagen kamen auf den HHA-Betriebshof Hummelsbüttel
und wurden dort, z.T. tief eingeschneit, hinterstellt. Im Gegensatz zu den
anderen Betriebshöfen gab es hier keine Schrägaufstellung, sondern die Busse
standen in Strängen hintereinander. Deswegen wurde Hummelsbüttel, trotz seiner
ungünstigen Lage zur Linie 102, der (erste) Heimatbahnhof für die
Gelenkbusflotte der HHA.
Nach Besserung der winterlichen Straßenverhältnisse
begannen die Einweisungsfahrten für das Fahrpersonal. Die damalige HHA-Tochter
Hamburger Verkehrsmittel-Werbung GmbH (HVW) hatte diese Neufahrzeuge sehr
erfolgreich bei ihren Kunden vermarktet. Für 19 Gelenkbusse fanden sich
Interessenten, die Ganzflächenwerbung (Popwerbung) bestellten. Diese
Werbewünsche wurden bei der Wagenlackierung ab Herstellerwerk berücksichtigt,
so dass sich zunächst ein recht bunter Wagenpark dem Betrachter zeigte. Lediglich
die ersten sechs Wagen (7001 – 7006) erhielten für Rumpfflächenwerbung eine
Lackierung in den „HHA-Hausfarben“ weiß-rot-weiß.
Weil der Einsatz von Gelenkbussen für die Hamburger
Bevölkerung eine Neuerung darstellte, wurden die Fahrzeuge am 07.04.1979
den Fahrgästen mit einem großen Volksfest auf dem Rathausmarkt vorgestellt. In
der Presse fand sich für diese Wagen jetzt die Bezeichnung
„Asphalt-Jumbo“. Neben den Standardbussen verkehrten auf der Linie 102 an
diesem Tag auch schon 14 festlich geschmückte Gelenkbusse. Mit finanzieller
Unterstützung der Interessengemeinschaft Mönckebergstraße konnte in der
Zeit zwischen 9 und 15 Uhr diese Linie unentgeltlich benutzt werden. Der
Ansturm der Fahrgäste war entsprechend groß. Wie beim Abschied der Straßenbahn
am 01.10.1978 wurde auf dem Rathausmarkt ein Sonderpostamt eingerichtet und ein
Souvenirverkauf durchgeführt - dieses Mal aber in zwei Gelenkomnibussen. Weiter
konnten hier u. a. besichtigt werden: VÖV II-Prototyp 1980,
Niederflur-Schubgelenkbus 1981, DB O 305 G-Vorführwagen mit Turboladermotor
MA-DJ 368 und der Wagen 5702 vom HOV, ein komfortabler Magirus-Deutz Schnellbus
von 1967.
Mit Unterstützung der örtlichen Bürgervereine standen
entlang der Linie 102 in der Frohmestraße, im Tibarg, am Siemersplatz und
in der ehemaligen Straßenbahnschleife Grindelberg mehrere Gelenkbusse zur
Besichtigung bereit. Auf dem ehemaligen Straßenbahngleiskörper am Siemersplatz
wurde an diesem Tag der hier abgebildete Wagen 7007 den interessierten
Anwohnern vorgestellt. Der Wagen trägt eine weiß-blaue Lackierung und ist damit
schon für seine spätere Popwerbung für eine Zeitarbeitsfirma vorbereitet.
Am 21.04.1979 eröffnete die HHA dann offiziell den Gelenkbusbetrieb
auf der Linie 102 (heute MetroBus 5). Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die
meisten Wagen auch ihre Popwerbung erhalten. Rasch zeigte sich, dass der
Wagenpark zu knapp bemessen war. Im Herbst 1979 wurde der Bestand um zehn
weitere Gelenkbusse aufgestockt. Heute verfügt die HOCHBAHN über mehr als 200
Gelenkbusse, die in vielen Teilen der Hansestadt anzutreffen sind. Auch VHH und
PVG haben mittlerweile seit zehn Jahren eine steigende Anzahl Gelenkbusse im
Linien-Einsatz.
Text: Lutz Achilles / HOV