Bild des Monats April
2010
70 Jahre
Gleichstrom-S-Bahn in Hamburg
Die Preußische Staatseisenbahn begann 1907 in Hamburg als
erster Stadt im Kaiserreich den bisher zwischen Ohlsdorf und Blankenese mit Dampfzügen
betriebenen Vorortverkehr auf elektrische Traktion umzustellen. Der Strom für
den Betrieb kam aus einer Oberleitung mit Einphasenwechselstrom mit einer
Spannung von 6,3 kV und einer Frequenz von 25 Hz.
Durch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 vergrößerte sich das
Stadtgebiet Hamburgs auf seine heutige Größe. Umfangreiche städtebauliche
Planungen der Nationalsozialisten sahen auch den Ausbau der Stadt- und
Vorortbahnstrecken der Deutschen Reichsbahn vor. Neben einer Tunnelstrecke war
bei Neumühlen der Bau einer Elbhochbrücke vorgesehen, in deren Untergeschoss
eine S-Bahnstrecke verlaufen sollte. Positive Erfahrungen der Reichsbahn mit
der 1924 in Berlin begonnenen Umstellung der Stadt- und Vorortbahn von Dampf-
auf Gleichstrombetrieb („Große Elektrisierung“) führten in Hamburg zu der
Entscheidung, den Betrieb von Wechselstrom auf Gleichstrom umzustellen. Zu
dieser Zeit stand eine Erneuerung des größtenteils veralteten
Wechselstrom-Wagenparks an. Weil bei Gleichstromzügen die Stromabnahme über
eine seitlich bestrichene Stromschiene erfolgt, benötigen diese Fahrzeuge ein
verringertes Lichtraumprofil, Kosten für vorgesehene Tunnelbauten konnten so
geringer ausfallen.
Die in Berlin seit 1930 gebräuchliche Abkürzung „S-Bahn“
für Stadtschnellbahn führte die Reichsbahn 1934 auch in Hamburg für die
Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn ein.
Durch den vom Hilter-Regime entfachten 2. Weltkrieg ist es
nicht zur Umsetzung der gigantischen für Hamburg vorgesehenen Neubauprojekte
gekommen. Auch ist kriegsbedingt die schnelle Umstellung von Wechsel- auf
Gleichstrombetrieb nicht möglich gewesen. Es sollte noch bis 1955 dauern, bis
auf der Stammstrecke der Hamburger S-Bahn das Nebeneinander der beiden
Spannungsarten ein Ende hatte.
Am 12.12.1939 nahm die Reichsbahn einen Probebetrieb mit
den ersten Gleichstromtriebwagen der Baureihe ET171 (später 471) zwischen
Ohlsdorf und Poppenbüttel auf. Der fahrplanmäßige Betrieb auf diesem Abschnitt
begann vor 70 Jahren am 22.04.1940. Noch während des Krieges konnte die
Strecke bis Blankenese mit Gleichstromzügen befahren werden. Für die nächsten
60 Jahre bestimmte der ET 171 das Erscheinungsbild der Hamburger S-Bahn Erst
zur Jahrtausendwende verschwand er aus dem planmäßigen Betrieb in Hamburg.
Geblieben sind noch zwei Einheiten, die vom Verein Historische S-Bahn
Hamburg betreut werden.
Ab 1950 begann der weitere Ausbau der Hamburger
S-Bahn, zunächst wurden noch von Dampfzügen betriebene Strecken auf Gleichstrom
umgestellt. Ab 1962 konnte der erste Abschnitt der Pinneberger S-Bahn auf einer
teilweise neu errichteten Trasse eröffnet werden. Weitere Strecken folgten,
zuletzt 2008 der rund drei Kilometer lange Abschnitt zwischen Ohlsdorf und dem
Flughafen (Hamburg Airport). Heute umfasst das Netz der Gleichstrom-S-Bahn
113,2 km. Aber auch der Wechselstrombetrieb mit Oberleitung findet sich heute
wieder bei der Hamburger S-Bahn und wird wohl künftig die
Streckenverlängerungen in das Hamburger Umland erleichtern. Seit Dezember 2007
verkehren S-Bahnzüge in Zweisystemtechnik mit Wechselstrom und Oberleitung auf
der rund 31,9 km langen Strecke Neugraben – Stade. In Neugraben gibt es eine
Systemwechselstelle, damit die Züge dort mit Gleichstrom in das bestehende
S-Bahnnetz wechseln können.
Unser Bild des Monats soll an 70 Jahre Gleichstrombetrieb
in Hamburg und an diesen bis 2001 in Hamburg eingesetzten Fahrzeugtyp 171 (471)
erinnern. Das von Karl-Heinz („Charly“) Wangel am 30.03.1973 aufgenommene
Foto zeigt eine soeben erfolgte Zugkreuzung im Bahnhof Rissen. An der
Spitze des in Richtung Wedel ausfahrenden Vollzuges sieht man die Einheit 471
079 (Baujahr 1955). Allerdings zeigen sich die Wagen nicht in der für
Jahrzehnte für die Hamburger S-Bahn typischen kobaltblauen Lackierung, sondern
mit einer hellgrauen Sonderlackierung. Die Deutsche Bundesbahn suchte Anfang
der 1970er Jahre u.a. Lokführerpersonal. Hierfür warb dieser S-Bahnzug –
zusammen mit einem Zug der Baureihe 470 - mit einer für die damalige Zeit sehr
schlicht gehaltenen Ganzflächenwerbung.
Der Ausbau der B 431 führte später zu einer grundlegenden
Veränderung der Bahnanlagen in Hamburg-Rissen.
Weitere Informationen zur Hamburger S-Bahn finden Sie u.a. unter https://www.hamburger-s-bahn.de/
Text: Lutz Achilles / HOV